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Sieben Jahre

Sieben Jahre

Titel: Sieben Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stamm
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auszumachen, im Gegenteil, er wirkte erstaunlich zufrieden, als sei es das, was er sich immer gewünscht habe. Alice fragte, ob ich Silvester zu Rüdigers Party käme. Rüdiger hatte mich und Sonja eingeladen, aber ich wollte erst zusagen, wenn ich mit ihr gesprochen hatte. Ich sagte, wahrscheinlich kämen wir.
    Als Alice zur Toilette ging, erkundigte sich Ferdi nach Iwona. Er habe mit Jakob telefoniert, und der habe ihm erzählt, er habe uns beide getroffen. Er lächelte anzüglich. Das habe er mir gar nicht zugetraut, mir am allerwenigsten. Aber warum ich mir um Gottes willen nicht eine schönere Geliebte nähme? Wer sagt, dass sie meine Geliebte ist? Ferdi lachte. Er könne sich nicht vorstellen, wozu Iwona sonst zu gebrauchen sei. Und ehrlich gesagt, könne er sich noch nicht einmal vorstellen, dass sie dazu tauge. Aber vielleicht hat sie ja verborgene Talente? Alice kam von der Toilette zurück und sagte, ihr sei übel, sie wolle gehen, und die beiden zogen ab.
    An diesem Abend ging ich zu Iwona. Ich sagte, sie solle sich ausziehen, und schaute ihr dabei zu. Als sie ganz nackt war, legte sie sich auf das Bett wie eine Patientin auf den Untersuchungstisch. Ich blieb neben dem Bett stehen und schaute auf sie hinunter und fragte sie, wann sie nach Polen zurückgehe. Sie wollte sich zudecken, aber ich zog die Decke weg. Sie gehe nicht nach Polen zurück, sagte sie, und schaute mich an, als müsse ich mich darüber freuen. Ich kann nicht mehr zu dir kommen, sagte ich, ich habe eine Freundin. Seit wann? Ich sagte, ich sei seit dem Sommer mit Sonja zusammen. Vor mir? Kurz danach, sagte ich. Das schien sie zu befriedigen, zum ersten Mal sah ich in ihren Augen ein Aufbegehren, als wolle sie sagen, ich war zuerst da, ich habe die älteren Rechte. Aber sie sagte nichts. Wir passen nicht zusammen, sagte ich, um sie zu beschwichtigen, das musst du doch einsehen. Du hast andere Interessen, du kommst aus einem anderen Land, aus einer anderen Welt. Das mag dir unwichtig erscheinen, aber auf Dauer sind es diese Dinge, die für eine Beziehung wichtig sind. Du würdest dich nicht wohl fühlen mit meinen Freunden. Worüber würdest du denn mit ihnen reden? Verstehst du das? Iwona hatte die ganze Zeit beharrlich geschwiegen. Als ich fertig war, sagte sie mit leiser, aber fester Stimme, ich liebe dich. Aber ich liebe dich nicht, sagte ich.
     
    Bevor ich gegangen war, hatte mir Iwona ein Paket in die Hand gedrückt, das in Geschenkpapier eingeschlagen war. Ich packte es erst zu Hause aus. Es war ein selbstgestrickter Pullover mit einem scheußlichen geometrischen Muster.
    Einige Tage später rief mein neuer Vermieter an. Er hatte die Wände streichen lassen und sagte, wenn ich wolle, könne ich sofort einziehen. Ferdi half mir beim Umzug und fuhr mit mir zu IKEA , wo ich ein Bett und ein Bücherregal, einen Flickenteppich und ein sogenanntes Starterset für die Küche kaufte. Wir verbrachten den ganzen Abend damit, die Möbel zusammenzubauen.
    Ferdi erzählte von Alice. Er schien ganz begeistert vom Leben als Paar. Die Jagd ist vorbei. Ich lachte. Das sagst ausgerechnet du. Das Studentenleben sei nie wirklich seine Sache gewesen, sagte er, auch wenn er es genossen habe. Er habe sich immer danach gesehnt, sich einzurichten, Geld zu verdienen, Dinge festzumachen. Das müsse ja nicht bedeuten, dass man blind durchs Leben gehe.
    Macht das nicht Spaß, sagte er und hielt zwei Holzteile in die Höhe, die zusammenzugehören schienen. Wenn keine Schraube fehlt, sagte ich, aber es fehlt immer eine Schraube. Ferdi meinte, das sei Einstellungssache, und arbeitete weiter. Als das Bett endlich aufgebaut war, sagte er, siehst du, es hat keine Schraube gefehlt.
    Das Einrichten der Wohnung machte mir Spaß und lenkte mich von meiner Grübelei ab. Bei einem Trödler fand ich einen alten Tisch aus Kirschbaum und vier passende Stühle mit geflochtenen Sitzen und Rückenlehnen. Ich hängte Lampen auf und ein paar Poster an die Wände und räumte meine Bücher ein. Am Tag vor Sonjas Ankunft sah die Wohnung ganz gemütlich aus. Auf dem Tisch standen Blumen, und der Kühlschrank war gefüllt. Sogar das Namensschild hatte ich angebracht.
    Ich hatte bis jetzt immer darauf geachtet, möglichst wenige Dinge zu besitzen, um mobil zu bleiben und unabhängig, aber je mehr Sachen ich kaufte, desto mehr Freude machte mir mein neuer Besitz. Ich ging durch die Wohnung und strich mit den Händen über die neuen Sachen und nahm all die unbenutzten Gegenstände in die

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