Sieben Jahre
sprachen über Antje, und ich fragte mich, was diese Leute mit Antjes Bildern anfangen konnten. Erst als Carla aus den USA anrief, wurde die Stimmung etwas gelöster. Die drei versammelten sich um das Telefon, und jeder sprach kurz mit der Abwesenden. Das Wetter sei gut in Kalifornien, es sei verrückt, Weihnachten unter Palmen zu feiern, die Amerikaner seien sehr herzlich. Nachdem sich alle frohe Weihnachten gewünscht hatten und das Gespräch beendet war, wurde über Amerika und die Amerikaner gesprochen. Ich war der Einzige, der noch nie in den USA gewesen war, aber ich redete trotzdem mit, nur um von den anderen korrigiert zu werden. Ich hätte ein ganz falsches Bild von den Staaten, sagte Sonjas Vater. Ich widersprach ihm, und es hätte vermutlich Streit gegeben, wenn Sonjas Mutter das Gespräch nicht auf ein anderes Thema gelenkt hätte.
Der Abend war voller Rituale, die ich nicht verstand. Sonjas Eltern waren nicht religiös, aber die Feier lief nach einem genau vorgegebenen Plan ab. Die Kerzen am Christbaum wurden angezündet, und Sonjas Mutter legte eine Schallplatte mit kitschigen amerikanischen Weihnachtsliedern auf und löschte das Licht. Eine Weile lang saßen wir auf der Polstergruppe und starrten den Baum an. Dann wurde wieder Licht gemacht, und die Geschenke wurden ausgepackt. Sonja benahm sich wie ein Kind, was mich peinlich berührte. Ihre Eltern hatten einen scheußlichen Espressokocher von Alessi für mich gekauft. Für die neue Wohnung, sagte Sonjas Mutter, das Design ist von Aldo Rossi. Sonja hat mir gesagt, dass Sie seine Arbeit schätzen. Sonja reichte mir ein sehr leichtes Paket. Das ist von mir, sagte sie und beobachtete mich dabei, wie ich es auspackte. Es war ein Pappmodell eines Einfamilienhauses, sehr sorgfältig gearbeitet. Vor dem Haus standen zwei Figürchen, ein Mann und eine Frau. Irgendwann, sagte Sonja. Ich wollte sie auf den Mund küssen, aber sie drehte den Kopf weg, und ich küsste sie auf die Wange. Hier sind die Pläne. Sie reichte mir ein schwarz gebundenes Heft mit Skizzen und groben Plänen des Hauses. Da müsst ihr viel arbeiten, bis ihr euch das leisten könnt, sagte Sonjas Vater.
Bald nach dem Essen sagte Sonja, sie sei müde, sie ginge schlafen. Als ich auch aufstand, sagte sie, ich könne ruhig noch aufbleiben. Es dauerte wohl zwei Stunden, bis ich mich endlich von Sonjas Vater loseisen konnte. Er hatte eine unangenehm belehrende Art und vertrat seine vollkommen unoriginellen Meinungen, als seien es große Weisheiten. Sogar wenn ich über Architektur sprach, wusste er alles besser. Mitten in einem seiner Vorträge stand ich auf und sagte, ich müsse ins Bett. Ich ging die Treppe hinauf. Vor den Türen zu den Kinderzimmern zögerte ich. Sonjas Vater war hinter mir die Treppe hochgekommen und zeigte mit kühlem Lächeln auf die Tür zu Carlas Zimmer.
Am Weihnachtsmorgen fuhren wir zu meinen Eltern nach Garching. Es gab noch eine Bescherung und noch ein Essen. Ich hatte meine Eltern lange nicht gesehen und erwartet, dass sie mir viele Fragen stellen würden, aber sie erzählten nur von den Nachbarn und von den Herbstferien und sprachen über den Garten, es waren dieselben Themen wie seit zwanzig Jahren.
Wir kamen erst spät am Abend in die Wohnung zurück und gingen gleich ins Bett. Als ich Sonja küsste, sagte sie, sie müsse sich erst wieder an mich gewöhnen. Es eilt nicht, sagte ich und drehte mich auf die andere Seite.
Während der nächsten Tage war es sehr kalt, aber die Sonne schien. Wir spazierten dick angezogen durch die Stadt und trafen uns mit Leuten und saßen in Cafés. Sonja hatte all ihren Freunden und Freundinnen gesagt, dass sie über die Feiertage da war, und ich musste mir dieselben Geschichten ein halbes Dutzend Mal anhören und trank unglaubliche Mengen Milchkaffee.
Wir trafen Birgit, und sie erzählte uns, Tanja sei völlig durchgedreht. Ihr Sauberkeitsfimmel habe krankhafte Züge angenommen, in der Küche trage sie Silikonhandschuhe und sie fasse keine Türklinke mehr an, ohne sie vorher abgewischt zu haben. Sie spreche dauernd von christlich-humanen Werten und bombardiere die Zeitungen mit Leserbriefen, in denen sie für eine härtere Drogenpolitik und eine abstruse Aids-Prävention plädiere. Ihr habt nicht zufällig ein Zimmer frei? Sonja schaute mich fragend an. Nein, sagte ich, tut mir leid. Auf dem Nachhauseweg fragte sie, warum ich nein gesagt habe. Sie mag mich nicht. Das bildest du dir nur ein. Außerdem habe ich keine Lust
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