Sieben Jahre
Hand, die wie ein Versprechen waren auf ein neues Leben. Ich machte Lampen an und aus, zog Bücher aus dem Regal und legte eine Schallplatte auf. Im Schlafzimmer lag der Pullover, den Iwona mir geschenkt hatte. Ich zog ihn an. Er passte perfekt, aber das Muster war eine Beleidigung fürs Auge. Ich überlegte, ob ich ihn gleich wegwerfen solle, aber ich konnte mich nicht entscheiden und legte ihn im Wohnzimmer über eine Stuhllehne.
Am nächsten Morgen fuhr ich zum Flughafen, um Sonja abzuholen. Wir hatten uns seit fast drei Monaten nicht gesehen. Ich war da, bevor das Flugzeug landete, und musste lange warten, bis Sonja endlich durch den Zoll kam. Obwohl eine Fotografie von ihr auf meinem Schreibtisch stand, war ich überrascht von ihrer Erscheinung, wie jedes Mal, wenn ich sie sah. Sie hatte sich die Haare ganz kurz schneiden lassen und trug einen blau-weißen Matrosenpullover. Sie war sonnengebräunt und stach mit ihrem federnden, aufrechten Gang aus den anderen Passagieren heraus. Als sie mich sah, strahlte sie. Sie stellte ihr Gepäck ab und machte schnell die letzten paar Schritte auf mich zu, um dann etwas ratlos vor mir stehen zu bleiben, bis ich sie in die Arme nahm und küsste.
Auf dem Weg in die Stadt sprach Sonja nur von ihrer Arbeit. Sie sagte, sie habe im Flugzeug gezeichnet, und zeigte mir die Skizzen. Sie hatte viel gelernt in den drei Monaten, das war sofort zu sehen, die Zeichnungen waren sicherer, der Strich kräftig und entschlossen. Überhaupt kam mir Sonja sehr erwachsen vor. Sie sprach schneller als früher und lachte viel, und als das Taxi hielt, hatte sie es bezahlt, bevor ich auch nur meine Brieftasche hervorziehen konnte.
Die Wohnung schien ihr zu gefallen. Sie klopfte an die Wände und öffnete die Fenster und zog die Toilettenspülung. Und?, fragte ich. Gekauft, sagte sie. Wir standen nebeneinander im Bad und sahen uns im Spiegel an. Ein schönes Paar in einer schönen Wohnung, sagte Sonja und lachte. Ich drehte mich zu ihr und küsste sie und musste daran denken, wie sich jetzt auch dieses schöne Paar im Spiegel küsste, eine Vorstellung, die mich mehr erregte als der Kuss selbst. Ich fasste mit der Hand in Sonjas kurzes Haar, streichelte ihren ausrasierten Nacken. Du siehst aus wie ein Junge. Sie lachte und fragte, ob ich sie jetzt nicht mehr möge? Ich trat hinter sie und legte meine Hände auf ihre Brüste und sagte, ein paar Unterschiede gebe es ja glücklicherweise noch. Als ich versuchte, ihr den Pullover über den Kopf zu ziehen, drehte sie sich zu mir um und küsste mich noch einmal und sagte, nicht jetzt. Ich hatte den Eindruck, sie errötete unter ihrer Bräune. Komm, sagte sie, wir müssen los, meine Eltern warten.
Ich war während des Studiums ein paar Mal bei Sonja eingeladen gewesen, aber da waren ihre Eltern nicht zu Hause gewesen oder hatten uns nur kurz begrüßt. Vermutlich erinnerten sie sich gar nicht an mich. Seit ich mit Sonja zusammen war, hatte ich sie nie getroffen, und ich war entsprechend befangen. Sonjas Mutter empfing uns an der Tür, sie küsste Sonja auf die Wangen und gab mir die Hand und nannte mich bei meinem Nachnamen. Nenn ihn Alexander, sagte Sonja. Alex, sagte ich. Während wir unsere Mäntel auszogen, verschwand die Mutter schon wieder in der Küche. Im Wohnzimmer war Sonjas Vater dabei, einen riesigen Weihnachtsbaum zu schmücken. Ach, ihr seid schon da, sagte er und gab uns beiden die Hand. Wollt ihr etwas trinken? Er benahm sich ganz locker, trotzdem fühlte ich mich nicht recht wohl. Sonja sagte, sie werde eine Führung durch das Haus mit mir machen.
Das Haus war in den siebziger Jahren gebaut worden. Die Wände waren rau verputzt, die Decken hoch und im oberen Stockwerk angeschrägt und mit Holz verkleidet. Das Treppenhaus war zum Wohnzimmer hin offen, ein einziger großer Raum mit dunklem Keramikboden und einem offenen Kamin. Sonja zeigte mir ihr ehemaliges Zimmer und das Zimmer ihrer Schwester Carla, die in Amerika studierte und zum ersten Mal für die Feiertage nicht nach Hause kommen würde. Du schläfst hier, sagte Sonja und zeigte auf das schmale Bett. Ich schaute sie erstaunt an, ohne etwas zu sagen. Sie schlug die Augen nieder und führte mich wieder in den unteren Stock.
Ihre Eltern standen an der Treppe und schauten uns erwartungsvoll entgegen. Unter dem Weihnachtsbaum lagen jetzt ein paar Geschenke. Sonjas Vater reichte jedem von uns ein Glas Sekt, und wir stießen miteinander an. Das Gespräch kam nur langsam in Gang. Wir
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