Sieben Jahre
Übersetzungsarbeiten für einen christlichen Verlag in Polen. Das Geld habe immer irgendwie gereicht, schrieb Iwona, sie habe sogar ihre Eltern unterstützen können, die es nicht leicht gehabt hätten nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, aber vor einigen Monaten sei sie krank geworden, eine Erkrankung des Unterleibs. Sie habe nie eine Krankenversicherung gehabt, sei bisher auch immer gesund gewesen. Nun entstünden Kosten, die ihre Möglichkeiten überstiegen. Sie habe Gott um Rat gefragt und dann sei ich ihr eines Nachts im Traum erschienen als ihr Wohltäter. Trotzdem habe sie lange gezögert, mich um Hilfe zu bitten. Sollte es mir nicht möglich sein, sie zu unterstützen, werde sie mich nicht weiter behelligen. Ich sei ihr gegenüber zu nichts verpflichtet, sie würde jede Hilfe als selbstlosen Akt betrachten und mir alles schnellstmöglich zurückzahlen.
Der Brief war umständlich formuliert. Ich war ziemlich sicher, dass jemand Iwona beim Schreiben geholfen hatte. Trotzdem war in den Formulierungen jene Mischung aus Unterwürfigkeit und Impertinenz spürbar, die mir bei ihr schon früher aufgefallen war. Ich sah ihr Gesicht vor mir, diesen Ausdruck von Ergebenheit, der mich rasend gemacht hatte vor Lust und vor Wut. Iwona hatte mit Vor- und Nachnamen unterschrieben. Darunter stand eine Adresse in Perlach und eine Telefonnummer. Ich steckte den Brief ein, fuhr den Computer herunter und ging nach Hause.
Das Haus am See, von dem Sonja geträumt hatte, hatten wir uns nicht leisten können. Stattdessen wohnten wir in einem Reiheneinfamilienhaus in Tutzing, im oberen Teil des Ortes. Wir hatten das Haus kaufen können, nachdem eine Tante von Sonja gestorben und ihr ein bisschen Geld hinterlassen hatte. Als wir es zum ersten Mal besichtigten und in ein kleines Zimmer mit abgeschrägter Decke gekommen waren, hatte Sonja gesagt, das ist das Kinderzimmer. Ich hatte nichts gesagt, und wir sprachen über ein paar Umbauten, die man machen könnte. Aber am selben Abend fing Sonja wieder mit dem Thema an. Sie sagte, sie habe nicht mehr allzu lange Zeit, ein Kind zu bekommen, über fünfunddreißig werde es kritisch. Wir diskutierten ganz sachlich über die Vor- und Nachteile, eigene Kindern zu haben, und beschlossen schließlich, dass Sonja die Pille absetzen würde.
Nach Jahren der Planung hatten die Bauarbeiten in Chemnitz endlich begonnen. Ich hatte mir ein Zimmer genommen in der Stadt und kam oft die ganze Woche nicht nach Hause. Nur an den Tagen, an denen Sonja fruchtbar war, musste ich um jeden Preis in München sein.
Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Schönheit war Sonja ziemlich verklemmt. Sie war unfähig, sich hinzugeben, und es war mir manchmal, als beobachte sie sich, während wir uns liebten, und als habe sie keine andere Sorge, als ihre Haltung zu bewahren. Dass wir anfingen, unsere Liebesnächte nach ihrem Eisprung zu richten, hatte in der ersten Zeit einen positiven Einfluss auf unseren Sex. Sonja war an diesen Abenden nervös, sie errötete leicht und verschüttete Getränke und ließ Dinge fallen. Dann verschwand sie für längere Zeit im Bad, und wenn sie in ihrem seidenen Morgenmantel herauskam und sich zu mir auf das Sofa setzte, war es mir, als biete sie sich mir an, ein Gedanke, der mich erregte. Manchmal liebten wir uns auf dem Sofa, und es war mir, als sei auch Sonja erregt und vergesse sich wenigstens für einen Moment. Aber als sie nicht schwanger wurde, hatte ich immer mehr das Gefühl zu versagen und verlor auch an diesem Spiel die Lust.
Birgit, mit der Sonja während des Studiums zusammengewohnt hatte, hatte inzwischen eine Praxis eröffnet. Sie war Sonjas Gynäkologin und ordnete alle möglichen Untersuchungen an und schickte uns zu Spezialisten. Medizinisch sei alles in Ordnung, sagte sie schließlich und riet Sonja, weniger zu arbeiten, aber das konnten wir uns nicht leisten. Es wird schon werden, sagte Birgit. Versucht nicht zu sehr daran zu denken, dann kommt es von selbst.
Nach dem Arzttermin gingen wir zu dritt in eine Kneipe. Wir kamen auf Tanja zu sprechen. Birgit und sie hatten sich die Wohnung nach meinem Auszug noch zwei Jahre lang geteilt. Tanjas Sauberkeitsfimmel hatte sich irgendwann etwas gelegt, dafür war sie sonst immer verrückter geworden. Sie habe deutschnationale Zeitschriften abonniert, sagte Birgit, und erzkonservative Ansichten vertreten. Ich konnte niemanden mehr einladen, ich hätte mich geschämt, wenn die gesehen hätten, mit wem ich zusammenwohne.
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