Sieben Jahre
nicht schöner geworden war, und fragte mich, was ich hier machte, weshalb ich nicht von ihr lassen konnte. Aber sie erwachte und sah mir in die Augen, und wie ein Süchtiger musste ich sie wieder anfassen, sie festhalten und in sie eindringen.
Ich fragte sie, was sie all die Jahre gemacht hatte, in denen wir uns nicht gesehen hatten. Sie schien die Frage nicht zu verstehen. Sie habe gearbeitet. Und sonst? Triffst du dich mit Freundinnen? Bist du gereist? Hast du irgendein Hobby? Manchmal besuche sie die Veranstaltungen der polnischen Mission, sagte sie, und sie habe eine Cousine, die auch in München wohne, die sie aber kaum noch sehe. Einmal im Jahr fahre sie nach Posen, um ihre Familie zu besuchen.
Die Religion schien eine noch größere Rolle in ihrem Leben zu spielen als vor sieben Jahren. Sie ging regelmäßig zur Messe und war in einem Bibelkreis. Dort hatte sie Hartmeier kennengelernt. Sie erzählte oft von ihm. Er war Klempner. Einer seiner Söhne führte die eigene Firma, er selbst widmete sein Leben ganz der Kirche, seit ihm vor ein paar Jahren die Frau gestorben war. Einmal fragte ich Iwona, ob sie etwas mit ihm gehabt habe. Wir lagen nebeneinander auf dem Bett, sie hielt meine Hand, wie ein Kind die seiner Mutter hält. Ich beugte mich über sie und fragte, ist er dein Geliebter? Gib es zu. Sie schaute mich mit überraschtem und zugleich enttäuschtem Blick an, vielleicht, weil ich an ihrer Treue zweifelte. Herr Hartmeier sei nicht so. Nicht so wie ich? Bruno besuche sie oft, sagte Iwona, er habe gesagt, er spüre eine große Nähe zu ihr, aber sie habe ihm gesagt, sie habe eine Hoffnung in jemand anderen. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, wen sie meinte. Ich hätte ihr sagen sollen, dass ich nichts von ihr wollte, dass ich Sonja nie verlassen würde für sie. Schon der Gedanke schien absurd, alles aufzugeben, um mit einer Frau zusammen zu sein, mit der mich nichts verband als eine sexuelle Obsession. Aber ich ahnte, dass ich Iwona nicht von ihrer fixen Idee abbringen konnte, also schwieg ich. Ich glaube, sie war fest davon überzeugt, Gott lenke unsere Wege und habe Pläne mit ihr und mit mir. Sollte sie daran glauben, wenn es ihr half, mir war es einerlei. Ich stand am Fenster und schaute hinaus auf den verlassenen Spielplatz. Es hatte schon seit Tagen geregnet, und auf der Wiese hatten sich große Pfützen gebildet. Auf einem Balkon des Hauses gegenüber war ein riesiger Vogelkäfig, der mit einem gemusterten Tuch, vermutlich einem alten Vorhang, abgedeckt war. Ich öffnete das Fenster, und das Geräusch von tropfendem Wasser war zu hören, das Geräusch von fließendem Wasser und das dunkle Brummen eines Kleinflugzeuges. Es war spät im Frühling, aber es hätte genauso gut Herbst sein können. Ich drehte mich zu Iwona um und fragte sie, ob sie tatsächlich sieben Jahre lang nichts mit einem Mann gehabt habe. Und was wäre gewesen, wenn ich mich nicht gemeldet hätte? Iwona gab keine Antwort.
Ich besuchte Iwona immer tagsüber. Anfangs täuschte ich Sitzungen vor, aber Sonja kannte meine Projekte, und ich musste mir etwas anderes einfallen lassen. Ich hatte schon seit Jahren gelegentlich Rückenschmerzen gehabt, und jetzt behauptete ich, ich würde etwas dagegen unternehmen wollen. Ich wurde Mitglied in einem Fitnessklub, so konnte ich zweimal in der Woche für eine oder zwei Stunden mit Iwona zusammen sein, ohne dass Sonja misstrauisch wurde.
Ich hatte Iwona bei unserem zweiten Treffen das Geld für die Operation mitgebracht, aber ich fragte sie nie, ob sie den Eingriff hatte vornehmen lassen. Sie hatte wieder angefangen zu arbeiten, putzte jetzt auch tagsüber in einigen Privathäusern. Ihre Arbeitszeiten waren unregelmäßig, und oft sagte sie mir im letzten Moment ab, weil eine ihrer Arbeitgeberinnen sie dringend brauchte. Als sie wieder einmal sagte, sie habe diese Woche keine Zeit mehr, mich zu sehen, sie müsse arbeiten, sagte ich, ich würde sie bezahlen. Sie antwortete nicht. Ich werde dich bezahlen, sagte ich, wie viel willst du? Ich hatte erwartet, sie würde es mir übel nehmen, aber sie meinte nur, für das Putzen bekomme sie zehn Mark die Stunde. Ich gebe dir zwanzig, sagte ich. Es war ein böser Scherz, aber von nun an gab ich ihr jedes Mal, wenn wir uns verabschiedeten, das Geld. Ich war nie zu einer Prostituierten gegangen, der Gedanke, für Sex zu bezahlen, hätte mich gekränkt. Aber Iwona Geld zu geben war etwas anderes. Es war keine Bezahlung für einen erbrachten
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