Sieben Jahre
Dienst. Iwona gehörte mir, und dass ich mich um sie kümmerte, war die Rechtfertigung meiner Besitzansprüche. Dann, ich weiß nicht, was in mich gefahren war, fing ich an, ihr Anweisungen zu geben und einen Preis zu nennen, fünfzig Mark, wenn du dies oder jenes tust. Vielleicht war es eine Art, mich selbst zu erniedrigen. Falls es Iwona kränkte, zeigte sie es nicht. Sie machte alles, egal, wie viel ich ihr dafür bot, und nahm das Geld mit gleichgültiger Miene und ohne nachzuzählen.
Wir sahen uns jetzt an zwei Vormittagen in der Woche zu fest vereinbarten Uhrzeiten. Iwona war meist noch gar nicht aus dem Haus gegangen und erwartete mich im Morgenmantel. Sie bot mir Kräutertee an, bis ich ihr eine Kaffeemaschine schenkte. Ich trank einen Espresso im Stehen. Iwona setzte sich an den Küchentisch und schaute mich fragend an. Dann sagte ich ihr, was ich mir ausgedacht hatte, und wir gingen ins Schlaf- oder Wohnzimmer oder ins Bad.
Es war ein außergewöhnlich regenreicher Sommer, und die Stadt lag oft unter einer feuchtwarmen Dunstglocke und fühlte sich wie ein Treibhaus an. Wenn ich mit Iwona eng umschlungen auf dem Bett lag, erfasste mich eine große Trägheit, unsere verschwitzten Körper schienen miteinander zu verwachsen zu einem vielgliedrigen Organismus, der sich langsam bewegte wie eine Wasserpflanze in einer unsichtbaren Strömung. Manchmal verfiel ich in eine Art Halbschlaf, aus dem Iwona mich weckte, wenn die abgemachte Zeit vorüber war. Du musst gehen, flüsterte sie mir ins Ohr, und ich stand auf und ging hinaus in den Regen, wo ich erst langsam wieder zu mir kam.
Ich hatte erwartet, Iwonas irgendwann überdrüssig zu werden und mich von ihr befreien zu können, aber obwohl mich der Sex mit ihr immer weniger interessierte und wir manchmal nur redeten und gar nicht miteinander schliefen, kam ich nicht von ihr los. Es war nicht Lust, die mich an sie band, es war ein Gefühl, das ich seit meiner Kindheit nicht mehr empfunden hatte, eine Mischung aus Geborgenheit und Freiheit. Es war, als vergehe die Zeit nicht, wenn ich mit ihr zusammen war, aber gerade dadurch bekamen diese Momente ihr Gewicht. Mit Sonja baute ich mir etwas auf, was nie ganz fertig wurde. Wir wollten ein Haus bauen, wollten ein Kind bekommen, stellten Leute ein, kauften einen Zweitwagen. Kaum hatten wir ein Ziel erreicht, zeichnete sich schon das nächste ab, wir kamen nie zur Ruhe. Iwona hingegen schien keine Ambitionen zu haben. Sie hatte keine Termine, ihr Leben war einfach und regelmäßig. Sie stand am Morgen auf, frühstückte, ging zur Arbeit. Ob es ein guter oder ein schlechter Tag war, hing von kleinen Dingen ab, vom Wetter, von freundlichen Worten in der Bäckerei oder in einem der Haushalte, in denen sie putzte, vom Anruf einer Freundin, mit der sie nach der Arbeit etwas trinken ging oder ins Kino. Wenn ich bei ihr war, nahm ich für eine Stunde an diesem Leben teil und vergaß alles, den Termindruck, meinen Ehrgeiz, die Probleme auf den Baustellen. Und auch der Sex bekam dadurch einen ganz anderen Charakter. Iwona musste ich kein Kind machen, ich musste sie nicht einmal befriedigen. Sie nahm mich auf ohne Erwartungen und ohne Ansprüche.
Ihr Bedürfnis nach einem besseren Leben stillte sie mit Schundromanen und Fernsehfilmen, die ausnahmslos glücklich endeten. Ich fragte mich, was sie empfand, wenn sie das Buch schloss, den Fernseher ausmachte. Ich hatte seit Jahren keinen Roman mehr in der Hand gehabt, aber ich erinnerte mich noch an das Gefühl, wenn ich als Kind eine Geschichte zu Ende gelesen hatte, spätnachts oder an einem regnerischen Nachmittag. Diese Wachheit, das Gefühl, alles viel deutlicher wahrzunehmen, auch die Zeit, die langsamer verging als die erzählte Zeit. Ich hielt den Atem an und horchte und wusste doch, dass nichts zu hören war, dass nichts geschehen war und nichts geschehen würde. Ich war in Sicherheit, ich lag auf dem Bett und kehrte in Gedanken noch einmal zurück in die Geschichte, die jetzt mir gehörte, die nie zu Ende sein würde, die wuchs und zu einer eigenen Welt wurde. Es war eine von vielen Welten, in denen ich damals lebte, bevor ich anfing, mir meine eigene zu bauen und all die anderen zu verlieren.
Im Grunde war meine Beziehung zu Iwona von Anfang an nichts als eine Geschichte gewesen, eine Parallelwelt, die meinem Willen gehorchte und in die ich mich begeben konnte, wann immer ich wollte, und die ich verließ, wenn ich genug von ihr hatte.
Vielleicht war unsere Beziehung
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