Sieben Jahre
das Haus zu. Auch sie schien den Namen von Iwona noch nie gehört zu haben. Sie dachte lange nach mit angestrengtem Gesichtsausdruck, dann sagte sie, im Erdgeschoss wohnten Polinnen. Sie schloss die Tür auf und ließ mich herein. Ich warf einen Blick in den Kinderwagen. Er war leer. Die junge Frau zeigte mir die Tür und blieb neben mir stehen, nachdem ich geklingelt hatte. Ihr Blick war nicht misstrauisch, eher neugierig. Als eine vielleicht fünfzigjährige zierliche Frau öffnete, sagte meine Begleiterin, dieser Herr sucht jemanden. Wohnt Iwona hier?, fragte ich. Sie ist bei der Arbeit, sagte die Frau mit deutlichem Akzent. Sie trug einen kimonoartigen Morgenmantel, obwohl es schon zwei Uhr nachmittags war. Darf ich hereinkommen?, fragte ich. Ich bin ein Freund. Ich hatte keine Lust, die Angelegenheit im Treppenhaus zu besprechen. Die dicke Frau ging wortlos die Treppe hoch. Vielen Dank, rief ich ihr nach.
Die Frau im Morgenmantel ließ mich herein und schloss die Tür hinter mir ab. Sie kommt erst am Abend nach Hause, sagte sie, und drängte sich an mir vorbei. Ich war ziemlich sicher, dass sie wusste, wer ich war. Sie ging durch einen langen dunklen Flur, vorbei an einer angelehnten Tür, hinter der Stimmen zu hören waren. Es dauerte einen Moment, bis ich merkte, dass die Stimmen aus einem Fernseher kamen. Am Ende des Flurs war eine Küche, die sauber und aufgeräumt war. Das Fenster war geöffnet, es ging hinten hinaus, und ich hörte Kindergeschrei und aus einiger Entfernung das Geräusch eines Rasenmähers. Die Frau im Morgenmantel ließ sich mit einem leisen Stöhnen auf einen Stuhl sinken und stand gleich wieder auf und fragte, ob ich etwas trinken wolle. Ein Glas Wasser, sagte ich, gerne. Sie füllte zwei Gläser mit Leitungswasser und zog einen Schemel für mich unter dem Tisch hervor und setzte sich dann wieder mit einem Seufzer.
Sie sagte, sie heiße Ewa. Sie wohne hier zusammen mit Iwona und einer Freundin. Iwona sei ihre Cousine. Sie habe ihr damals die Stelle in der christlichen Buchhandlung verschafft, in der ich sie getroffen hätte. Wir haben uns in einem Biergarten kennengelernt, sagte ich, fünfzehn Jahre ist das her. Sie war immer ein Dickschädel, sagte Ewa und lachte. Ich fragte, wie sie das meine. Ich habe meine Cousine gewarnt, sagte sie, die Männer sind überall gleich.
Ewa war ganz anders als Iwona. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass die beiden verwandt waren. Sie war klein und hatte blondes Haar. Sie musste eine schöne Frau gewesen sein, als sie jünger war, selbst jetzt sah sie noch gut aus. Sie sagte, sie sei mit einem Deutschen verheiratet gewesen. Die Deutschen mögen die polnischen Frauen, wir haben mehr Temperament und mehr Gefühl als die deutschen Frauen. Wir versuchen nicht, wie Männer zu sein.
Mein Handy klingelte. Ich schaltete es ab, ohne auf die Anzeige zu schauen. Ich fragte, wie es Iwona ginge. Nicht so gut, sagte Ewa. Die Familie habe damals irgendwie von der Schwangerschaft erfahren, nicht von ihr, das schwöre sie, und habe Iwona – sie zögerte, schien nach einem Wort zu suchen – verstoßen? Ich nickte. Iwona schicke immer noch Geld nach Hause, aber sonst sei der Kontakt völlig abgebrochen. Sie sei seit acht Jahren nicht daheim gewesen. Wenn sie mich nicht hätte, sagte Ewa, dann wüsste sie noch nicht einmal, dass ihr Vater gestorben ist.
Gesundheitlich gehe es Iwona auch nicht besonders gut. Sie habe diese Tumore. Sie hätte sich längst operieren lassen sollen, aber sie wolle nicht. Ich sagte, ich hätte Iwona Geld für die Operation gegeben. Ewa zuckte mit den Schultern. Vermutlich hat sie es nach Hause geschickt. Das scheine ihr einziges Ziel zu sein, möglichst viel Geld nach Hause zu schicken. Die halbe Verwandtschaft sei von ihr abhängig, aber gern habe man sie trotzdem nicht. Sie arbeitet, sagte Ewa, sie arbeitet wie eine Verrückte. Tagsüber pflegt sie eine bettlägerige alte Frau, und am Abend putzt sie Büros.
Wir schwiegen. Nach einer Weile sagte Ewa, Iwona hoffe wohl immer noch, dass ich eines Tages zu ihr zurückkehre. Sie schaute mich an mit fragendem und etwas skeptischem Blick, als wolle sie sagen, Sie werden doch nicht so verrückt sein. Ich schüttelte den Kopf. Ich habe ihr gesagt, sie sei dumm, sagte Ewa, aber sie hört nicht auf mich. Sie hätten es ihr sagen sollen. Ich habe es ihr gesagt. Ewa breitete die Hände aus. Man kann nichts machen. Wenn sie nicht hören will. Man kann Männer nicht zwingen zu lieben.
Jedes Mal,
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