Sieben Jahre
süßes kleines Kätzchen. Sie hat es überallhin mitgenommen. Aber das Kätzchen wurde bald größer und selbständiger und lief davon, wenn Iwona mit ihm spielen wollte. Eines Tages im Sommer war es verschwunden. Es gab eine riesige Suchaktion, aber die Katze tauchte nicht mehr auf. Monate später, als es kalt wurde und man wieder heizen musste, entdeckte einer der Mieter das verhungerte Tier im Kohlenkeller. Vielleicht ist sie durch ein Fenster geklettert und konnte nicht mehr hinaus?, fragte ich. Es gab kein Fenster in dem Raum, sagte Ewa. Jemand muss sie eingesperrt haben, und ich bin ziemlich sicher, dass Iwona selbst es gewesen ist. Obwohl sie ein Riesengeschrei gemacht und eine richtige Beerdigung veranstaltet hat.
Ewa stand auf und füllte unsere Gläser nach. Wie auch immer, sagte sie, als sie sich wieder setzte, für das Kind ist es bestimmt besser, bei Ihnen aufzuwachsen. Iwona hätte ja gar keine Zeit, sich um es zu kümmern. Ich zog meine Brieftasche heraus und zeigte ihr das Bild von Sophie, das darin steckte. Sie schaute nur kurz hin.
Iwona habe kein Geld gehabt, sagte sie, ihre frommen Freunde hätten sie fallenlassen, sobald das Kind auf der Welt gewesen sei. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. Da sei sie wieder gut genug gewesen. Ihr sei es auch nicht besonders gut gegangen in der Zeit, das sei kurz nach der Scheidung gewesen.
Ewa hatte Iwona wieder geholfen, Arbeit zu finden. Und später waren sie in diese Wohnung gezogen, um Geld zu sparen, zusammen mit Małgorzata, die ebenfalls im Krankenhaus arbeitete. Aber vertrauter war ihr Verhältnis zu Iwona dadurch nicht geworden. Im Gegenteil, seit sie zusammenwohnten, grenze Iwona sich noch mehr ab. Außer mit den Leuten, für die sie arbeite, scheine sie mit niemandem Kontakt zu haben.
Ich und Małgorzata kochen oft zusammen, aber Iwona isst fast immer allein. Sie kommt nach Hause und verschwindet in ihrem Zimmer, oder sie blockiert stundenlang das Bad. Das geht schon seit Jahren so. Ewa tippte sich an die Stirn und sagte, irgendetwas ist hier oben nicht in Ordnung bei ihr. Sie müssen denken, ich mag sie nicht. Das ist nicht wahr. Sie tut mir leid, aber ich kann ihr nicht helfen. Niemand kann ihr helfen.
Ewa musste zur Arbeit. Ich fragte sie, ob ich sie ein Stück weit mitnehmen könne, und sie nahm dankend an. Während ich auf sie wartete, schaute ich auf dem Handy nach, wer mich angerufen hatte. Es war Sonja gewesen.
Schönes Auto, sagte Ewa, als ich ihr die Tür aufhielt. Ich sagte, es sei nur geleast. Mein Mann hatte einen Audi 100 , sagte sie voller Stolz. Sie sagte, es sei wohl besser, wenn sie Iwona nichts von meinem Besuch erzähle, es würde sie nur aufregen. Ich fragte, ob ich irgendetwas für Iwona tun könne. Sie in Ruhe lassen, sagte Ewa. Wenn sie Geld braucht für die Operation? Ewa sagte, am Geld liege es nicht. Iwona wolle die Operation nicht, weil sie dann keine Kinder mehr kriegen könne. Ich rechnete nach. Sie ist sechsundvierzig, sagte Ewa, und noch immer nicht erwachsen. Wir schwiegen.
Iwona hat ihr Leben an mich verschwendet, dachte ich. Seit fünfzehn Jahren jagt sie einem Phantom hinterher, einer unmöglichen Liebe. Sie müssen sich keine Vorwürfe machen, sagte Ewa, als habe sie meine Gedanken erraten, es hat nichts mit Ihnen zu tun. Auf ihre Art ist Iwona glücklich. Sie sind in ihr. Seit fünfzehn Jahren ist sie verliebt. Sie lachte. Schauen Sie mich an. Ich habe einen Mann gehabt, aber bin ich deswegen besser dran?
Hier ist es, sagte sie. Ich hielt den Wagen an, und sie stieg aus und beugte sich herunter, um sich zu verabschieden. Darf ich Sie anrufen?, fragte ich. Sie zog ein Notizbuch aus der Tasche, schrieb etwas und reichte mir den Zettel. Das ist meine Mobilnummer. Ich wollte ihr meine Karte geben, aber sie schüttelte den Kopf und sagte, rufen Sie mich an, wenn Sie wissen wollen, wie es ihr geht.
Ich schaute ihr nach, wie sie die Treppe zum Krankenhaus hochging mit schnellen, jugendlich wirkenden Schritten. Oben hielt ihr ein Mann die Tür auf. Sie wandte sich ihm zu und sagte etwas, und ich sah für einen Moment ihr strahlendes Lächeln.
Ich saß im Wagen vor dem Krankenhaus und sah Menschen hineingehen und herauskommen, Angestellte und Patienten und Angehörige von Patienten. Menschen, die vielleicht eben erfahren hatten, dass sie nicht mehr lange zu leben hatten, und andere, die geheilt waren, wenigstens vorläufig geheilt. Ich musste an Sophie denken. Vor einiger Zeit hatte sie mich gefragt, wozu
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