Sieben Jahre
Verrücktheiten. Bestimmt dachte sie, sie würde eine Heilige sein, ganz bestimmt keine gewöhnliche Nonne.
Als die anderen Mädchen ihres Alters anfingen, mit Jungen auszugehen, zog Iwona sich noch mehr zurück. Ihr Körper war früh entwickelt gewesen, sie hatte schon mit zwölf einen richtigen Busen, und Iwonas Eltern hatten panische Angst davor, sie lasse sich mit jemandem ein. Sie wisse nicht, was sie Iwona erzählt hätten, sagte Ewa, jedenfalls sei sie richtiggehend geflohen, wenn ein Mann aufgetaucht sei.
Ewa musterte mich mit ihren klaren, blauen Augen. Vermutlich fragte sie sich, was ich an ihrer Cousine gefunden, weshalb ich mich mit ihr eingelassen hatte und sie sich mit mir.
Nach der Schule hatte Iwona erst einmal gar nichts gemacht. Ewa war nach Warschau gezogen und hatte eine Ausbildung als Krankenschwester angefangen. Sie kam nur noch an den Feiertagen nach Posen, und dann sah sie Iwona bei Familientreffen, aber sie sprach kaum mit ihr. Als Ewa ihren ersten festen Freund hatte, brach sie den Kontakt zur Familie fast ganz ab. Sie war schon in Deutschland, als sie erfuhr, dass Iwona eine Lehre als Buchhändlerin machte. Nachdem Iwona die Lehre abgeschlossen hatte, verschaffte Ewa ihr die Stelle in Deutschland. Iwonas Mutter hatte sie darum gebeten, nachdem der Vater seine Arbeit verloren hatte und bald darauf krank geworden war. Er hatte sich in der Gewerkschaft engagiert, sagte Ewa, das waren schwierige Jahre in Polen. Ich weiß, sagte ich, obwohl ich mich nur vage an die Ereignisse erinnerte. Ewa sagte, sie habe alles organisiert für Iwona, die Stelle, das Zimmer, sie habe sie vom Bahnhof abgeholt und ihr Leute vorgestellt, andere Polinnen und später auch Männer, gute, anständige Männer, die eine Partnerin suchten. Iwona habe alles als selbstverständlich hingenommen und nie etwas für sie getan. Vielleicht seien sie einfach zu verschieden, sie hätten einander nichts zu sagen.
Als Iwona nach Deutschland gekommen war, war Ewa noch verheiratet gewesen. Einmal lud sie die Cousine zu sich nach Hause ein. Iwona war so schweigsam, dass der Abend eine Qual war. Danach sahen sie sich kaum noch. Ewa rief nur gelegentlich im Studentenwohnheim an, um sich nach Iwona zu erkundigen, und manchmal gingen sie zusammen ins Kino oder zu einer Veranstaltung der polnischen Mission.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie sie mir eines Tages sagte, sie habe einen Freund. Ich konnte es kaum glauben. Ich habe mich oft gefragt, wie sie auf Sie gekommen ist. Wann war das?, fragte ich. Ewa sagte, sie wisse es nicht mehr. Ich nehme an, es war ein Zufall, sagte ich. Sie muss mich irgendwo gesehen haben und mir gefolgt sein. Glauben Sie an so etwas? Liebe auf den ersten Blick? Ewa schüttelte den Kopf. Das sei eine Verrücktheit, das passiere einer Vierzehnjährigen, aber nicht einer erwachsenen Frau. Sie hat zu viel gelesen, die falschen Bücher. Sie waren ihr erster Freund. Ich war nie ihr Freund, sagte ich, wir haben uns ein paar Mal getroffen, bevor ich geheiratet habe. Dann haben wir uns Jahre nicht gesehen. Irgendwann hat sie sich wieder bei mir gemeldet, weil sie Geld brauchte für diese Operation. Ewa schaute mich fragend an. Ich sagte, ich könne nicht erklären, weshalb ich mich mit Iwona eingelassen habe. Es sei einfach so passiert. Es war mir, als habe sie Macht über mich, sagte ich, durch ihre bloße Anwesenheit. Ewa lächelte und sagte, ich müsse mich nicht entschuldigen. Männer seien einfach so. Sie habe sich damals gefragt, ob der Freund, von dem Iwona sprach, überhaupt existierte. Iwona habe nie etwas Näheres erzählt, nicht einmal den Namen wollte sie preisgeben.
Erst als sie schwanger war, habe ich ihr geglaubt. Sie hat mich angerufen. Ich habe sie gefragt, ob sie mit dem Vater zusammen sei, ob sie ihn heiraten werde. Sie hat ausweichend geantwortet. Ich dürfe niemandem etwas sagen. Ich frage mich, warum sie es mir überhaupt erzählt hat.
Ewa hatte die Cousine dann einmal im Krankenhaus besucht, aber Iwona hatte ihr zu verstehen gegeben, dass sie das nicht wollte. Nach der Geburt sei sie dann bei ihr aufgetaucht und habe getan, als sei nichts gewesen. Als ich sie nach dem Kind fragte, hat sie mich angeschaut, dass ich Angst bekam. Sophie lebt bei uns, sagte ich, es geht ihr gut. Ewa nickte. Das habe sie dann auch herausgefunden. Sie habe erst an das Schlimmste gedacht. Sie dürfte das ja nicht sagen, aber sie traue Iwona einiges zu. Als Kind hat sie einmal eine Katze bekommen, sagte Ewa, ein
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