Sieben Leben
erlauben. Nur glückliche
Kunden waren bereit, unsere horrenden Tagessätze zu bezahlen.
Doch Fortuna hatte sich ob meiner Unverfrorenheit bereits
von mir abgewandt, und das Schicksal nahm seinen Lauf.
Als ich aus dem Gebäude kam und ins Auto steigen wollte, war
quer vor meinem Mietwagen eine dunkle Limousine geparkt. Mir dämmerte, daß ich
in der Eile heute früh vielleicht doch keinen so tollen Parkplatz erwischt
hatte. Die Nachricht am Scheibenwischer wies mich an, unverzüglich beim
Pförtner zu erscheinen.
Ich wußte, dass mich eine Diskussion über die
Schutzwürdigkeit von Sonderparkflächen für Direktionsfahrzeuge mindestens eine
Viertelstunde kosten würde.
Die hatte ich nicht.
Wild entschlossen, meinen Zug zu erwischen, aber behindert
von einer Mauer im Rücken und einer S-Klasse vor mir, wählte ich schweren
Herzens den Weg durch das Blumenbeet. Knapp umfuhr ich einen jungen
Haselnußstrauch, aber es ließ sich nicht vermeiden, dass es einige
Stiefmütterchen erwischte. Oder waren es Chrysanthemen? Ich hab’s nicht so mit
Blumen.
Im Rückspiegel erhaschte einen letzten Blick auf das
ungläubige Gesicht des Pförtners, der aus seinem Häuschen geeilt war, um meine
Nummer zu notieren. Dann war ich auf der Straße.
Berater fahren normalerweise nicht durch die Blumenbeete
ihrer Klienten, und wenn doch, ließen sie sich keinesfalls erwischen. Falls der
Pförtner über Mietwagenfirma und Reisestelle tatsächlich bis zu meinen Personalien
vordringen sollte, standen mir in der nächsten Woche ernste Unannehmlichkeiten
bevor. Aber daran war jetzt nichts mehr zu ändern.
Ich hielt mich in der Regel an Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Mit einem persönlichen Aufschlag von etwa 20 Stundenkilometer, so viel
Flexibilität mußte sein. Auch in Eile ließ ich mich nicht zu unvernünftig
schneller Fahrweise hinreißen. Wenn doch, suchte ich mir einen anderen
Verkehrsteilnehmer, der es noch eiliger hatte und hängte mich so dicht wie
möglich an seine Stoßstange. Wenn es dann blitzte, war mein Nummernschild
wenigstens nicht auf dem Bild zu erkennen.
Auch diesmal fand ich einen geeigneten Vordermann. An
jugendlichen Rasern hatte es in keinem Ballungsgebiet dieser Welt einen Mangel.
Ich schätzte, daß es bei dem Tempo, das mein Vordermann vorlegte, trotz des einsetzenden
Nieselregens noch zu schaffen war.
Ich ließ die Wischblätter den feuchten, klumpigen Blütenstaub gleichmäßig über die
Windschutzscheibe schmieren, stellte im Radio einen Rock-Sender ein und dachte
an Silvia. There’s no smoke without a fire, there’s no love without desire ,
röhrte es aus den Boxen, und ich fiel in den Refrain ein. Als Kind der 80er
kannte ich die Band, Bad Company, auch wenn die ihren Höhepunkt eigentlich in
den 70er gehabt hatten. Aber das Gleiche galt für Supertramp, Deep Purple oder
Uriah Heep genauso. Das machte die 80er ja musikalisch aus. Die Kids von heute
würden in ein paar Jahren wahrscheinlich verständnislos gucken, wenn man sie
fragte, wer Elvis sei.
So wie unsere Großeltern sich wundern mochten, warum niemand
mehr Platten von Georg Gershwin oder Max Pallenberg hörte.
Aber ich war nicht mit dem Herzen bei meiner Kulturkritik.
Ich machte mir so meine eigenen Gedanken zum Thema Liebe und Verlangen.
Diesen Augenblick nutzte mein Vordermann, um völlig
unmotiviert auf die Bremse zu treten. Ich wußte nicht, was dieser Verrückte
vorhatte, denn weit und breit war kein Hindernis zu sehen. Jedenfalls soweit
ich das durch die verklebte Scheibe im Nieselregen erkennen konnte.
Geistesgegenwärtig wechselte ich auf die linke Spur, zog
schimpfend an dem Vollidioten vorbei und blinzelte, als das grelle Licht eines
Blitzers meine Augen traf. Ich sah auf den Tacho und stöhnte. Anders als der
Pförtner würde die Ordnungsbehörde in jedem Fall meine Personalien ermitteln
können, und ich wußte, daß mir bei diesem Tempo wohl ein Fahrverbot ins Haus
stand. Mist.
Nach einigen Minuten wurde mir die ganze Tragweite meiner
Unvorsichtigkeit bewußt und breitete sich als flaues Gefühl im Bauch aus, wo
der viele Kaffee meine asbestbeschichteten Magenwände sowieso schon bis an ihre
Belastungsgrenze gefordert hatte.
Ich brauchte mein Auto nicht nur beruflich sehr viel, ich
wohnte auch nicht gerade an der nächsten U-Bahn Station und sah bereits
monströse Taxi-Rechnungen auf mich zukommen. Natürlich konnte mich Silvia ab
und zu fahren, aber ihr Verständnis für meine Situation würde sich in Grenzen
halten. Sie
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