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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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Abendmaschine erreichen. Die Lufthansa hatte zwar schon mehrfach
angedroht, die Stecke zwischen Neckar und Main aus dem Flugplan zu streichen,
weil sich der kurze Flug kaum rentierte, aber noch gab es die Maschine meines
Wissens.
    Außerdem gab es eine direkte U-Bahnverbindung vom Hauptbahnhof
zum Flughafen.
    Ich war wieder auf den Beinen. Bevor ich zur U-Bahn
spurtete, mußte ich meinen Koffer loswerden, sonst war es nicht zu schaffen.
Kurzentschlossen wuchtete ich ihn in eines der Schließfächer und steckte den
Schlüssel ein. Ich konnte den Koffer nächste Woche wieder abholen. Am
Wochenende brauchte ich ihn eh nicht.
    Auf der Rolltreppe sah ich meine U-Bahn einfahren. Ich
gebärdete ich mich als militanter Anhänger der Parole „rechts stehen, links
gehen“ und schubste ein paar Schlafmützen rüde beiseite. Eigentlich hasse ich
es, von hinten ein Notebook ins Kreuz zu kriegen, nur weil ich ein Stück zu
weit links stehe, aber bis auf ein paar Verwünschungen blieb ich unversehrt und
schaffte es tatsächlich, in den Zug zu springen, bevor sich die Türen
schlossen.
    Mit einem Seufzer der Erleichterung plumpste ich in einen
Sitz. Schweiß stand mir auf der Stirn. Aber das machte nichts, ich war sowieso
völlig aufgeweicht. Meine Gedanken schweiften kurz zu der Frage ab, inwieweit
diese Art des Reisens meiner Gesundheit zuträglich war, und ich begann prompt
ausgiebig zu husten.
    Die Tatsache, das ich in der Eile keine Fahrkarte mehr hatte
kaufen können, betrachtete ich nicht als Problem. In der U-Bahn wird so gut wie
nie kontrolliert.
    Ich war gerade dabei, die Nase zu schneuzen, als mich eine
humorlose Gestalt in Schaffneruniform eines besseren belehrte. Für einen
nachträglich ausgestellten Fahrschein verlangte er vierzig Euro. Meinen
Einwand, daß eine Fahrkarte am Automaten höchsten vier Euro kosten könne,
quittierte er mit dem Hinweis, daß Schwarzfahren nach wie vor als Straftat
verfolgt werde und bat mich um meine Personalien. Jeder schien heute an meinen
Personalien interessiert. Ich gab spontan nach, zahlte bar und wurde als
Gegenleistung für den Rest der Fahrt in Ruhe gelassen.
    Im Flughafen angekommen, hastet ich zum Ticketschalter. Die
Dame dahinter musterte meine Erscheinung mit kaum verhohlenem Mißtrauen.
    „Bitte??“ Sie sprach tatsächlich die drei Fragezeichen mit.
    Ich stellte fest, daß mir das Hemd aus der Hose hing, meine
Krawatte tropfte und ich mir irgendwo den Ärmel meines Jacketts aufgerissen
haben mußte. Nur die Tatsache, daß ich eine Vielfliegerkarte vorweisen konnte,
brachte sie dazu, mich überhaupt zu bedienen. Meinen Wunsch nach einem Gangplatz
in der Economy Class bedachte sie mit einem nachsichtigen Lächeln und teilte
mir dann mit, daß ich großes Glück hätte, überhaupt noch einen Platz zu ergattern.
    Ich bezahlte also den horrenden Business-Tarif, den ich
niemals in meiner Reisekostenabrechnung würde unterbringen können, und fand
mich wenige Minuten später eingekeilt zwischen zwei übergewichtigen
Fleischbergen wieder, die mir mit gigantischen Kaugummis freundlich in die
Ohren schmatzten und ihre Unterhaltung über meinen Kopf und das Dröhnen der
Triebwerke hinweg lautstark fortsetzten. Offensichtlich kannten sich die
beiden. Mein Angebot, die Plätze zu tauschen, lehnten sie kopfschüttelnd ab. Ohne
dabei ihre Unterhaltung zu unterbrechen. Auch egal. Ich war auf dem Weg nach
Hause. Ich würde Silvia nicht versetzen und alles würde sich zum Guten wenden.
    Als die Stewardeß kam, bestellte ich Kaffee und einen Stapel
Servierten. Ich nippte an der Tasse und spürte, wie die Wärme mir guttat. Dann
zog ich die nassen Schuhe und Socken aus und stopfte die Servierten hinein,
ohne mich um die Blicke meiner beiden Nachbarn zu kümmern. Ich hatte die Lage
wieder unter Kontrolle.
    Die endlose Wüste weißer Wattebäusche, die sich träge im
Abendhimmel lümmelten, beruhigte meine Nerven. Das monotone Brummen der Triebwerke
bewirkte ein Übriges. Ich stellte mir vor, wie schön es wäre, da draußen
spazieren zu gehen. Ohne Schuhe und Strümpfe hatte der Gedanke einen besonderen
Reiz. Ich stellte mir vor, daß Silvia auf einer dieser Wolken saß und auf mich
wartete. Sie aber nicht barfuß, sondern mit Stilettos und Strümpfen aus
schwarzer Spitze.
    Was ein absonderlicher Gedanke. Die letzten Stunden hatten
mich wohl mehr mitgenommen, als ich gedacht hatte. Ich verscheuchte Wolken und
die Frage des angemessenen Schuhwerks aus meinem geistigen Blickfeld

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