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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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und
konzentrierte meine Gedanken auf Silvia. Sie war zuckersüß und völlig verrückt.
Zärtlich und egozentrisch. Was für eine Frau. Aber keine Ahnung, ob sie mich
tatsächlich liebte!
    Über mir leuchteten die Anschnallzeichen rot.
    Als routinierter Vielflieger ignorierte ich die Warnung. Bis
zur Landung war noch Zeit. Ich dachte zurück an meine erste Begegnung mit
Silvia an der Rezeption dieses kleinen Landgasthofs im Taunus. Sie war
atemberaubend gewesen. Aber keine Ahnung, ob ich sie tatsächlich liebte.
    Was für eine vertrackte Welt, diese Welt der Gefühle.
    Eine gewaltige Faust riß mich aus meinen Betrachtungen,
bohrte sich in meinen Magen und schleuderte mich mit einem Ruck nach oben.
    In Wirklichkeit sackte der Flieger mit einem gewaltigen Ruck
in ein Luftloch, während ich dem Gesetz der geringeren Masse gehorchend noch
einen Moment blieb, wo ich war. Dann holte mich die Schwerkraft wieder ein, haute
mich in den Sitz und meinen Kaffee über die Anzüge meiner Nachbarn, die vor
Schreck fast ihre Kaugummis verschluckt hätten. Die Sache hatte aber auch ihr
Gutes - immerhin hatte es ihnen für den Moment die Sprache verschlagen.
    Weitere Böen zerrten an der Maschine. Ringsherum klammerten
sich bleiche Manager an ihre Armlehnen. Nur wenige Verwegene blätterten
demonstrativ weiter in ihrer Financial Times, aber man sah ihnen an, daß sie
ohne große Begeisterung bei der Sache waren.
    „Hier spricht Ihr Kapitän.“
    Fröhlich dröhnte die Stimme aus dem Cockpit. Eine Stimme,
die darauf geschult war, Selbstmordkandidaten und Terroristen zu stabilisieren.
Eine Stimme wie geschaffen für die Situation.
    „Wir durchfliegen gerade ein paar kleine Turbulenzen und
möchten sie daher bitten, die Anschnallzeichen zu beachten. Es besteht kein
Grund zur Beunruhigung.“
    Kleine Turbulenzen. Mein Magen, sowieso nicht ganz auf der
Höhe, drohte zu rebellieren. Da half auch die Ankündigung wenig, daß wir trotz
allem unseren Zielflughafen pünktlich erreichen würden.
    Meine Nachbarn fanden jetzt ihre Sprache wieder und begannen
sogleich, mir wüste Vorhaltungen wegen der Anzüge zu machen. Ich war drauf und
dran, ihnen auch noch den restlichen Kaffee über die Hose zu verteilen. Den,
den ich bereits getrunken hatte.
    Wie versprochen landete die Maschine wenige Minuten später
sicher auf der Rollbahn. Wie besessen fingerte ich unter meinem Sitz auf dem
Boden herum, konnte aber nur einen Schuh finden. Der andere mußte sich in dem
Wirrwarr selbständig gemacht haben. Also beugte ich mich nach unten, um ihn zu
suchen, aber davon wurde mir schlecht. Eine besorgte Stewardeß bot mir an, zu
warten, bis das Reinigungspersonal anrückte. Die würden den Schuh mit
Sicherheit finden. Ich blickte auf die Uhr und lehnte dankend ab. Dafür reichte
die Zeit nicht mehr.
    Es ist schwer zu beschreiben, wie blöd man sich mit nur
einem Schuh im Parkhaus eines internationalen Flughafens vorkommt. Aber soviel
kann ich sagen: Man kommt sich verdammt blöd vor.
    Wie ein begossener Pudel stand ich vor dem
Parkschein-Automaten, der partoût mein Ticket nicht fressen wollte. Dann
erinnerte ich mich, daß mein Wagen im Parkhaus am Hauptbahnhof stand, und nicht
hier am Flughafen. Genaugenommen war es Silvias Wagen, der dort stand. Ich
hatte mir ihren kleinen Mini geborgt, weil man damit am Bahnhof besser einen
Parkplatz bekam. Na, den konnten wir auch morgen noch abholen. Vorausgesetzt,
dass es ein gemeinsames Morgen für uns gab.
    Ich humpelte zum Taxistand, und erst der dritte Fahrer war
bereit, mich mitzunehmen.
    „Sie sehen nicht gut aus“, informierte er mich.
    „Weiß ich schon“, sagte ich.
      Ich nannte ihm die
Adresse. „Ich hab’s eilig.“
    „Wollen es wohl lieber schnell hinter sich bringen, was?“
    Ich glotzte den Mann verständnislos an.
    „Na, ich hätte es nicht so eilig, in dem Aufzug nach Hause
zu kommen. Meine Frau...“, er ließ das Ende des Satzes unvollendet.
    „Ich habe keine Frau“, ließ ich ihn wissen. „Und wenn Sie
nicht ordentlich Gas geben, hab’ ich bald nicht mal mehr eine Freundin.“
    Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Der Mensch wächst an
seinen Aufgaben. Was der Diesel an natürlicher Spritzigkeit vermissen ließ,
machte mein Chauffeur durch seine Spontanität mit Gaspedal und Bremse spielend
wett. Ich hoffte, daß sein Fahrkönnen in ausgewogenem Verhältnis zu seiner
Risikobereitschaft stand. Immerhin mußte er sich so auf die Straße konzentrieren,
daß er mich in Ruhe ließ. Ich

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