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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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schneuzte mich und hätte fast das Taschentuch
verschluckt, als wir mit Karacho auf einen anderen Wagen prallten. Der hatte
die Frechheit besessen, an einer auf Rot umspringenden Ampel zu bremsen anstatt
ordentlich Gas zu geben.
    Soweit ich sehen konnte, war nichts Ernsthaftes passiert,
aber mein Fahrer war aus dem Häuschen. Er gab abwechselnd mir und den Idioten
vor uns die Schuld und fluchte wie ein Rohrspatz.
    Vorne gingen die Türen auf, und die Spatzenhirne, wie mein
Fahrer sie jetzt lauthals beschimpfte, kamen zu unserem Taxi herüber. Langhaarige,
bärige Typen in Leder und Jeanskutten. Jede Menge Tattoos, bevorzugt
Totenköpfe. Bad Company.
    Sie schienen über die ganze Angelegenheit offensichtlich
genauso wenig erfreut wie mein Fahrer.
    Ich erinnerte mich nicht mehr genau, was dann geschah, aber
die Details spielten auch keine Rolle. Jedenfalls gelang es mir, mit meinem
Notebook und einem blauen Auge zu entkommen, bevor die Auseinandersetzung
ernstlich eskalierte. Ich hatte auch ein bißchen Nasenbluten, aber das hörte
schnell wieder auf.
    Mit zwei Schuhen hätte ich es wahrscheinlich in zwanzig
Minuten bis nach Hause geschafft. Na ja, vielleicht dreißig. Mit einem Schuh
dauerte es etwas länger. Aber nichts in der Welt konnte mich dazu bewegen, mich
jetzt nochmal in ein Taxi zu setzen. Also stapfte ich weiter durch die
Dunkelheit. Als ich endlich vor meiner Haustür stand, war es beinahe
Mitternacht.
    Ein paar Minuten stand ich einfach nur so da. Einerseits
brauchte ich Zeit, um wieder zu Atem zu kommen, andererseits überlegte ich, ob
ich klingeln, oder meinen Schlüssel benutzen sollte. Beides traute ich mich
nicht so richtig.
    Schließlich entschied ich mich für den Schlüssel, da hatte
ich noch das ganze Treppenhaus vor mir, um mir in Ruhe meinen ersten Satz zu
überlegen. Das hier war eindeutig eine Situation, wo es auf den ersten Satz
ankam!
    Ich stöberte in meiner Tasche, und einen furchtbaren
Augenblick lang dachte ich, daß ich auch noch den Hausschlüssel verloren hätte.
Aber das war nicht der Fall. Ich hatte lediglich den Schließfach-Schlüssel für
meinen Koffer am Hauptbahnhof verloren. Die Hausschlüssel waren noch da.
    Ich war mit den Nerven ziemlich am Ende. Weil der Koffer
noch nagelneu war. Weil ich frierte. Weil ich eine gigantische Blase am linken
Fuß hatte. Und weil ich die Nase für diesen Tag gestrichen voll hatte. Im
wahrsten Sinne des Wortes.
    Aber es war noch nicht vorbei.
    Während ich unten die Haustüre aufschloß, ging im obersten
Stockwerk eine Wohnungstür auf. Meine Wohnungstür. Silvia stand oben am
Geländer und sagte kein Wort. Sie schaute einfach auf mich runter und sagte
kein Wort. Ich kann mich nicht erinnern, Treppensteigen jemals so gehaßt zu
haben, wie in diesem Augenblick.
    Endlich stand ich vor ihr.
    „Hallo“, sagte ich. Kein optimaler erster Satz, das gebe ich
zu. Nicht mal ein Satz. Aber es waren auch keine optimalen Umstände.
    Versuchsweise beugte ich mich vor, um Silvia Kuß zu geben.
Quasi das Eis antauen. Aber daraus wurde nichts. Sie wandte sich mit verschränkten
Armen ab und ging in den Flur zurück. Auf die Garderobe zu. Kein gutes Zeichen.
    „Es tut mir leid“, sagte ich.
    „Mir auch“. Sie zog sich die Jacke an.
    „He, warte mal einen Moment.“
    „Ich tue seit Stunden nichts anderes.“ Es war nicht wirklich
ein Lachen, was sie da von sich gab, eher ein Knurren. „Wo sind meine
Autoschlüssel?“, wollte sie wissen.
    „Laß mich doch erst mal reinkommen.“ Ich kam ebenfalls in
die Wohnung und zog die Tür hinter mir zu. Das Licht fiel auf meinen traurigen
Anblick und für einen Moment schlich sich ein Anflug von Wärme in ihre Mandelaugen.
Vielleicht kein Mitgefühl, bestimmt kein Verständnis, aber zumindest vages
Interesse.
    Ich kam zwar oft zu spät, aber selten in diesem Zustand. In
diesem Moment wäre sie vielleicht bereit gewesen, mir zuzuhören, mir eine
Chance zu geben, obwohl sie sich in den letzten vier Stunden immer wieder
gesagt hatte, daß sie genau das nicht tun würde.
    Im Nachhinein fragte ich mich, ob es diesen Moment, diesen
entscheidenden Moment wirklich gegeben hatte, oder ob die Entscheidung nicht
längst gefallen war, schon viel früher.
    „Ich kann Dir alles erklären“, sagte ich.
    Oh, oh! Alles wäre besser gewesen, als dieser
Vorabend-Serien-Standardsatz. Alles. Ein Scherz, ein resigniert-treuherziger
Blick. Vielleicht ein Ohnmachtsanfall. Alle diese Möglichkeiten und tausend
andere, die ich mir im

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