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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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los?“, raunte
Gertenschläger. „Probleme?“
    „Nein, nicht ...“
    „Sie wissen ja, als stellvertretender Abteilungsleiter müssen
Sie immer ein Ohr für die Nöte und Bedürfnisse Ihrer Kollegen haben.“
    „Ich...“
    „Ja, ich weiß. Aber die Akten sind nicht alles. Wir haben es
mit Menschen zu tun. Das darf man nie vergessen. Mit Menschen!“ Gertenschläger
strahlte. „Wie Frau Isonovic“, zwinkerte er.
    Mir fiel nichts anders ein, als ergeben zu nicken.
    Der Konferenzraum beeindruckte mich immer wieder und
bestätigte mich in dunklen Stunden, dass ich doch das richtige Unternehmen für
meine weitere berufliche Zukunft gewählt hatte. Gut, dass man hier keine Kunden
rein ließ. Die hätten sonst nämlich auf dumme Gedanken kommen können, was die
Höhe ihrer Prämien betraf.
    Neben dem massiven Wurzelholztisch fielen vor allem die französischen
Impressionisten ins Auge. Vielleicht waren französische Impressionisten in
Konzernzentralen der Finanzbranche jetzt nichts so Besonders. Jedenfalls wenn
man sie, wie ich lange Zeit, nur für ausgesprochen hochwertige Drucke hielt.
Wenn man wußte, dass es sich um die Originale handelte, sah die Sache nochmal
anders aus.
    Leider war kaum Gelegenheit, sich eingehender mit dieser
feinen Duftnote des Spätkapitalismus auseinanderzusetzen. Kaum hatten wir Platz
genommen, erschien wie von Geisterhand eine dampfende Tasse frischer Kaffee vor
uns, dann verließen die Service-Kräfte lautlos den Raum, schlossen behutsam die
große Doppeltür und das Meeting ging los.
    Degenhardt führte den Vorsitz. Er trug als Bereichsleiter
die Verantwortung für acht Abteilungen im Bereich Business Customers . Die betriebliche Altersvorsorge gehörte dazu.
    Alle Abteilungen waren vollzählig angetreten. Degenhardt
legte Wert auf Zuverlässigkeit und Vollständigkeit. Diesem Umstand war auch die
an sich ungewöhnliche Tatsache geschuldet, dass die stellvertretenden
Abteilungsleiter immer vollzählig mit an der Runde   teilnahmen. So saß Degenhardt einer Runde von
16 Managern vor, anstatt acht, was ihn in seinen Augen wahrscheinlich doppelt
so wichtig machte.  
    Punkt 1 auf der Agenda war die interne Aus- und
Weiterbildung. Das Thema, das mir Tamara ans Herz gelegt hatte.   Degenhardt machte gerade mit wenigen,
präzisen Worten klar, dass die Schulungsbudgets weiter gekürzt werden mußten.
Ausbildung kam als Kostenblock gleich nach den Personalkosten, und im Gegensatz
zu Letzteren konnte man die Schulungskosten relativ leicht beeinflussen. Indem
man einfach weniger schulte.
    Als erster hatte Müller diese Nachricht verdaut und meldete
sich zu Wort. „Völlig richtig“, pflichtete er Degenhardt bei, „wir müssen da
alle Einsparpotentiale heben. Allerdings… wir sollten mit Augenmaß agieren...“
    Augenmaß war etwas, dessen Degenhardt sich rühmte. Kam
gleich nach Zuverlässigkeit. „Schulungsmaßnahmen für Wachstumsfelder sind natürlich
ein anderes Thema“, pflichtete er Müller bei. Riester-Produkte zum Beispiel waren
zwar nicht erfolgreicher als andere, aber per Management-Beschluß zum
Wachstumsfeld deklariert worden. Müller, in dessen Abteilung diese Produkte
bearbeitet wurden, nickte dankbar. Er war mit dem Augenmaß seines Chefs
sichtlich zufrieden.
    „Was ist mit der Pensionskasse?“, flüsterte ich meinem Chef
zu. „Die Kollegen brauchen auch eine Weiterbildung!“
    Aber es war zu spät. Degenhardt befand, dass alle – außer
Müller - ihre Budgets nochmals um zehn Prozent kürzen sollten. Die Runde war
zwar nicht erfreut aber sie nickte. Auch mein Chef erhob keine Einwände. Bei
schwierigen Entscheidungen war Einstimmigkeit für Degenhardt wichtig. Genauso
wichtig wie Zuverlässigkeit und Augenmaß.
    Schon waren wir beim nächsten Thema. Die Juristen in der
Abteilung von Waldbaum waren völlig überlastet. Da wir alle auf die Juristen
bei Waldbaum angewiesen waren, selbst bei der kleinsten Vertragsänderung, war
das ein Problem. Noch bevor sich jemand anders zu Wort melden konnte, sprang Müller
schon wieder auf. Es schien, als war er heute gedopt.
    „Bei der Überarbeitung der neuen Verträge kann meine
Abteilung den Kollegen gerne aushelfen. Ich denke, wir sind flexibel genug, um
das hinzubekommen.“
    Degenhardt strahlte. Flexibilität kam in seinem Wertekatalog
gleich nach Zuverlässigkeit, Augenmaß und Einstimmigkeit.
    „Guter Vorschlag, oder was meinen Sie, Waldbaum?“
    Dr. Waldbaum nickte artig. Ich war mir nicht sicher, wie
begeistert er war,

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