Sieben Pfoten für Penny - Das Schloss der weißen Pferde - Brezina, T: Sieben Pfoten für Penny - Das Schloss der weißen
wahr?«
»Berta war bereits im Haushalt meiner Urgroßeltern beschäftigt. Sie ist quasi mit dem Schloss verwachsen. Großmutter nennt sie manchmal ›das lebendigste Möbelstück‹.«
Penny fiel wieder die bedrückende Stille im Schloss auf.
»Komm, ich bringe dich zur Bibliothek!« Nikolai deutete auf die schmale Treppe, die nach oben führte.
Das Schloss war noch größer, als Penny vermutet hatte. Die Gänge und Zimmer bildeten ein richtiges Netzwerk, fast ein Labyrinth. Doch Nikolai hatte keine Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Er schien immer zu wissen, wo er abbiegen musste. Obwohl Penny über einen guten Orientierungssinn verfügte, glaubte sie nicht, dass sie allein zurück zum Ausgang finden könnte.
Die Bibliothek verdiente ihren Namen. Es war ein hoher Raum mit Regalen aus dunklem Holz, die bis zur Decke reichten. Die Bücher waren allesamt in dunkles Leinen oder Leder gebunden. Die langen Vorhänge an den ebenfalls hohen Fenstern waren fast geschlossen und ließen nur wenig Licht durch.
»Die Abdunklung ist zum Schutz der Einrichtung und der Bücher«, erklärte Nikolai.
In der Mitte des Raumes stand ein Stehpult auf dem ein einzelnes Buch lag. Es war aufgeschlagen. Die Seite zeigte die typischen Buchstaben einer alten Schreibmaschine.
»Das ist sie«, stellte Nikolai vor. »Das ist die Chronik. Großmutter lässt sonst nie jemanden darin lesen.«
»Ach, wirklich?«, fragte Penny.
»Brauchst du was? Wasser, oder hast du Hunger? Berta kann dir was bringen.«
»Höchstens Papier und etwas zu schreiben. Oder ich gebe meine Notizen am besten direkt in mein Handy«, entschied Penny. Sie zückte das Gerät und erkannte auf der Anzeige, dass in dem Raum kein Empfang war.
»Dann bis später. Soll ich in einer Stunde wieder vorbeischauen?«
Den Vorschlag fand Penny gut.
Nikolai ging zur Tür, blieb stehen und drehte sich noch mal zu ihr um. Stumm sahen sie einander an.
»Gibt’s noch was?«, fragte Penny.
Verlegen schüttelte Nikolai den Kopf.
»Nein, alles in Ordnung. Bis später.« Er ging und schloss die Holztür krachend hinter sich.
Es dauerte ein wenig, bis Penny sich an die Bibliothek gewohnt hatte. Der Raum wirkte so leblos und unbewohnt wie das meiste in diesem Schloss.
Im Licht, das durch den Vorhangspalt fiel, tanzte Staub. Penny glaubte auf einmal, Marie-Therese von Ratstätt an einem Tisch vor ihrer Schreibmaschine sitzen zu sehen. Verbissen hieb sie auf die Tasten ein. Neben der Maschine lag ein größerer Stapel beschriebener Seiten. Frau von Ratstätt zog ein Blatt aus der Schreibmaschine. Sie legte es auf die anderen und tippte dann weiter.
Penny blinzelte, das Trugbild verschwand, und sie war wieder allein im Raum. Sie begann, die Seite zu lesen, die vor ihr aufgeschlagen lag. In den Zeilen ging es um einen Teil des Gartens, der dazugekauft worden war. Dort sollten neue Stallungen errichtet werden.
Penny blätterte weit zurück. Sie konnte sich ungefähr ausrechnen, wann der Vorfall mit den weißen Pferden und dem Feuer stattgefunden haben musste. Die einzelnen Einträge waren mit dem jeweiligen Datum versehen. Penny begab sich auf eine Zeitreise tief in die Vergangenheit des Schlosses.
Sie schmökerte da und dort und schnappte auf diese Weise allerhand über Schloss Ratstätt auf.
Früher wurden hier viele große Feste gefeiert, zu denen Gäste aus verschiedenen Ländern und sogar von Königshöfen angereist waren. Die Ratstätts hatten Konzerte im Schlosspark veranstaltet und Schulen und Kinderheime unterstützt und gefördert.
Der Vater der alten Gräfin war ein großer Tierliebhaber gewesen, der die Ländereien in eine Art Wildpark verwandelte. Das Wild durfte nur zum Zweck der Hege geschossen werden. Sonst durfte man es nur beobachten. Dazu lud er immer wieder Schulklassen ein, um sie mit den Wundern der Natur vertraut zu machen.
Schließlich kam Penny zu Eintragungen aus der Zeit, als der Maharadscha der damaligen Schlossherrin die weißen Pferde geschenkt hatte. Ein Vermerk wies darauf hin, dass damals verschiedene Leute die Chronik weitergeführt hatten. Zwei davon waren Graf Dieter und Luisa selbst.
Von Dieter gab es sogar ein Gedicht. Die ersten Zeilen klangen etwas kitschig:
Es scheint, als wäre mein Herz auf einmal zu klein für dich.
Es scheint, als wären deine Gefühle auf einmal zu groß und nicht mehr für mich.
Es scheint, als würdest du dich entfernen, und das bereitet mir Kummer und Schmerz.
Es scheint, als könnte ich nicht mehr
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