Sieben Phantastische Geschichten
unterm Dach benutzte seine Taschenlampe. Ein Polizeiwagen fuhr aufheulend und mit quietschenden Reifen durch eine der Avenues, die die Straße kreuzten. In der Straße gingen drei Lampen an und dann nacheinander wieder aus.
M. überlegte, warum Gregson wohl nicht zum Bahnhof gekommen war. Dann bemerkte er den Kalender auf dem Tisch. Das Datum, das darauf stand, war der 12. August. Das war der Tag, an dem er seine Reise angetreten hatte – genau vor drei Wochen.
Heute!
Man nimmt die Grüne Linie nach Westen bis zur 298. Straße, überquert die Kreuzung und fährt mit einem Rot-Lift rauf in die Ebene 237. Man folgt der Route 175 bis zum Bahnhof, wechselt über in eine 438er Lokalbahn, fährt bis zur 795. Straße. Nimmt die Blaue Linie zur Plaza, steigt an der 4. und 275. aus, wendet sich beim Kreisverkehr nach links und – befindet sich wieder dort, wo man seine Reise begonnen hat.
$ Hölle * 10 n .
Der unterbewußte Mann
The Subliminal Man
aus: J. G. Ballard: Das Katastrophengebiet, Suhrkamp 1983
Übersetzung: Charlotte Franke, Alfred Scholz
»Die Schilder, Doktor! Haben Sie die Schilder gesehen?«
Doktor Franklin runzelte verärgert die Stirn und beschleunigte seine Schritte die Krankenhaustreppe hinunter in Richtung der geparkten Autos. Über die Schulter warf er einen Blick auf den jungen Mann in zerschlissenen Sandalen und mit Farbe befleckten Jeans, der ihm von der anderen Seite der Auffahrt zuwinkte.
»Doktor Franklin! Die Schilder!«
Mit gesenktem Kopf wich Franklin einem älteren Paar aus, das zur Station für ambulante Behandlung ging. Sein Auto war über hundert Meter entfernt. Er war zu müde, um schneller zu laufen, und wartete daher, bis der junge Mann ihn eingeholt hatte.
»Also gut, Hathaway, was gibt’s denn nun schon wieder?« fuhr er ihn an. »Ich habe es satt, Sie den ganzen Tag hier herumhängen zu sehen.«
Hathaway blieb schwankend vor ihm stehen, die ungepflegten schwarzen Haare hingen ihm wie eine Zeltplane ins Gesicht. Er strich sie mit seiner klauenartigen Hand zurück und verzog das Gesicht zu einer wilden Fratze, offenbar froh darüber, Franklin getroffen zu haben, und ohne seine Feindseligkeit zu bemerken.
»Ich hab schon in der Nacht versucht, Sie zu erreichen, Doktor, aber Ihre Frau legt immer den Hörer auf«, erklärte er ohne ein Anzeichen von Verbitterung, als wäre er an eine derart schroffe Behandlung gewöhnt. »Und in der Klinik wollte ich nicht nach Ihnen suchen.« Sie standen neben einer Ligusterhecke, die die Sicht zu den unteren Fenstern der Hauptverwaltung verdeckte, denn Franklins regelmäßige Treffen mit Hathaway und dessen merkwürdiges messianisches Gehabe waren schon zum Gegenstand von Witzeleien geworden.
»Ich weiß es zu schätzen, daß –«, setzte Franklin an, aber Hathaway wischte seine Worte beiseite. »Lassen wir das, Doktor, es gibt jetzt Wichtigeres zu tun. Man hat damit begonnen, die ersten großen Schilder zu bauen! Über dreißig Meter hoch, draußen, auf den Verkehrsinseln vor der Stadt. Bald werden sie sämtliche Zufahrtsstraßen zugebaut haben. Und wenn ihnen das erst mal gelungen ist, können wir genauso gut aufhören zu denken.«
»Sie machen sich zuviel Gedanken«, sagte Franklin zu ihm.
»Seit Wochen reden Sie nun schon von diesen Schildern. Sagen Sie mal, haben Sie tatsächlich schon mal eins gesehen, das aufleuchtet?«
Hathaway riß eine Handvoll Blätter von der Hecke, die Belanglosigkeit dieser Frage ärgerte ihn. »Natürlich nicht, das ist es doch gerade, Doktor.« Er senkte die Stimme, als ein paar Krankenschwestern vorbeikamen und ihn und seine schlampige Aufmachung aus den Augenwinkeln musterten. »Gestern nacht waren die Bautrupps wieder unterwegs, haben riesige Stromkabel gelegt. Sie werden sie auf dem Nachhauseweg sehen. Es ist jetzt fast alles fertig.«
»Das sind Verkehrsschilder«, erklärte Franklin geduldig. »Die Flugschneise ist gerade fertiggestellt. Um Himmels willen, Hathaway, beruhigen Sie sich. Versuchen Sie doch mal an Dora und das Kind zu denken.«
»Aber ich denke ja andauernd an sie!« Hathaways Stimme spitzte sich zu einem schrillen Schrei zu. »Diese Kabel, das waren 40000-Volt-Anschlüsse, Doktor, mit ungeheuren Schaltungen. Die Lastwagen waren mit riesigen Metallgerüsten vollgeladen. Morgen wird man damit anfangen, sie aufzustellen, in der ganzen Stadt, sie werden den halben Himmel verdecken! Was glauben Sie wohl, was mit Dora in sechs Monaten ist, wenn sowas passiert? Wir müssen sie
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