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Sieben Phantastische Geschichten

Sieben Phantastische Geschichten

Titel: Sieben Phantastische Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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aufhalten, Doktor, die versuchen doch, aus unseren Gehirnen Empfänger zu machen!«
    Franklin, der von Hathaways lauter Stimme peinlich berührt war, hatte einen Augenblick lang die Orientierung verloren. Hilflos suchte er das Meer von Autos nach seinem eigenen ab. »Hathaway, ich kann nicht noch mehr Zeit damit verschwenden, mich mit Ihnen zu unterhalten. Sie brauchen Hilfe, glauben Sie mir, diese Obsessionen fangen allmählich an, von Ihnen Besitz zu ergreifen.«
    Hathaway wollte protestieren, aber Franklin hob den rechten Arm. »Hören Sie. Zum letzten Mal: Wenn Sie mir ein einziges dieser Schilder zeigen und mir beweisen können, daß es dem Unterbewußtsein Befehle erteilt, werde ich mit Ihnen zur Polizei gehen. Aber Sie haben nicht den geringsten Beweis in Händen, das wissen Sie ganz genau. Die unterbewußte Werbung wurde schon vor dreißig Jahren verboten, und dieses Gesetz ist nie aufgehoben worden. Auf jeden Fall war die Technik sowieso unbefriedigend und führte nur teilweise zum Erfolg. Diese Idee von Ihnen, daß eine große Verschwörung im Gange sei, mit all den Tausenden riesiger Schilder überall, ist doch absurd.«
    »Na schön, Doktor.« Hathaway lehnte sich gegen die Kühlerhaube eines Autos. Seine Laune schien sich von einem Augenblick zum anderen zu ändern. Er sah Franklin freundlich an. »Was ist los – können Sie Ihr Auto nicht finden?«
    »Wenn Sie immer so herumschreien, das bringt mich ganz durcheinander.« Franklin zog seinen Zündschlüssel aus der Tasche und las die Nummer auf dem Anhänger: »NYN 299-566-367-21 – können Sie es sehen?«
    Hathaway drehte sich langsam um, ließ den Fuß aber auf der Stoßstange und warf einen Blick über den Platz mit den mehr als tausend Wagen. »Schwierig, nicht wahr, wenn sie alle gleich aussehen? Sogar dieselbe Farbe haben sie. Vor dreißig Jahren gab es noch ungefähr zehn verschiedene Modelle, in den verschiedensten Farben.«
    Franklin entdeckte sein Auto und ging darauf zu. »Vor sechzig Jahren gab es hundert verschiedene Modelle. Na, und? Die Standardisierung hat offenbar ihren Preis.«
    Hathaway schlug mit der Handfläche auf die Autodächer. »Aber diese Wagen sind gar nicht so billig, Doktor. Tatsächlich sind sie, wenn man sie mit dem durchschnittlichen Einkommen von vor dreißig Jahren vergleicht, ungefähr 10 Prozent teurer. Wenn nur ein einziges Modell produziert wird, dann würde man doch erwarten, daß der Preis wesentlich niedriger liegt, und nicht höher.«
    »Vielleicht«, sagte Franklin und machte die Tür seines Wagens auf. »Aber vom technischen Standpunkt sind die Autos von heute viel weiter fortgeschritten. Sie sind leichter, dauerhafter und sicherer.«
    Hathaway schüttelte skeptisch den Kopf. »Ich finde sie langweilig. Das gleiche Modell, die gleiche Form, die gleiche Farbe, Jahr für Jahr. Das ist eine Art Kommunismus.« Er fuhr mit seinem schmutzigen Finger über die Windschutzscheibe. »Das ist schon wieder ein neuer, nicht wahr, Doktor? Wo ist denn der alte – den hatten Sie doch nur drei Monate?«
    »Ich habe ihn verkauft«, sagte Franklin und ließ den Motor an. »Wenn Sie mal selbst Geld besäßen, würde Ihnen klar werden, daß das die wirtschaftlichste Art ist, ein Auto zu halten. Man fährt nicht immer denselben Wagen, bis er auseinanderfällt. Das ist genauso wie mit allem andern – Fernsehapparaten, Waschmaschinen, Kühlschränken. Aber das Problem stellt sich für Sie ja nicht.«
    Hathaway ignorierte den Spott und stützte die Ellbogen auf Franklins Autofenster. »Gar keine schlechte Idee, Doktor. Gibt mir Zeit zum Nachdenken. Ich arbeite nicht zwölf Stunden am Tag, nur um einen Haufen Dinge zu bezahlen, die ich gar nicht benutzen kann, bevor sie schon wieder überholt sind.«
    Er winkte, während Franklin den Wagen aus der Parkreihe steuerte, dann rief er in die Wolke von Auspuffgasen hinein: »Machen Sie die Augen zu beim Fahren, Doktor!«
    Auf dem Heimweg hielt sich Franklin vorsichtig auf der langsamsten der vier Fahrbahnen. Wie gewöhnlich nach seinen Diskussionen mit Hathaway war er irgendwie deprimiert. Ihm wurde klar, daß er Hathaway unbewußt um seine ungebundene Existenz beneidete. Trotz des schmutzigen Kaltwasser-Appartements im Schatten und Gedröhn der Flugschneise, trotz seiner nörgelnden Frau und ihres kranken Kindes, trotz der endlosen Wortwechsel mit dem Vermieter und dem Chef der Kreditabteilung im Supermarkt behielt Hathaway seine Freiheit. Da er von jeder Verantwortung verschont war,

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