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Sieben Phantastische Geschichten

Sieben Phantastische Geschichten

Titel: Sieben Phantastische Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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Tage«, wiederholte einer von ihnen immer wieder erstaunt.
    Zwei Minuten später kam jemand und fragte Franz nach seiner Fahrkarte.
    »Und es war natürlich alles in Ordnung mit ihr«, bemerkte der Polizeiarzt. »Komisch, aber es gibt tatsächlich kein Gesetz, das einen daran hindern könnte, genau dasselbe zu tun. Ich selbst bin auch schon umsonst gefahren, als ich noch jünger war. Aber so eine Reise wie Sie habe ich noch nie probiert.«
    Er ging wieder an seinen Tisch. »Wir werden die Anklage fallen lassen«, sagte er. »Ein Landstreicher sind Sie jedenfalls nicht, und die Transportbehörden können auch nichts gegen Sie unternehmen. Sie können es sich nicht erklären, wie diese Krümmung im System zustandegekommen ist. Scheint sich um eine spezifische Eigenschaft der Stadt zu handeln. Und jetzt zu Ihnen. Werden Sie diese Suche fortsetzen?«
    »Ich will eine fliegende Maschine bauen«, sagte M. vorsichtig. »Irgendwo muß es doch einen freien Raum geben. Ich weiß nicht… aber vielleicht auf den unteren Ebenen.« Der Arzt stand auf. »Ich werde mit dem Sergeanten sprechen und ihm sagen, daß er Sie an einen unserer Psychiater überweisen soll. Der wird Ihnen helfen können, Ihre Träume zu bewältigen.«
    Der Arzt zögerte, bevor er die Tür aufmachte. »Hören Sie«, erklärte er, »man kann nicht aus seiner Zeit heraus, nicht? Subjektiv gesehen, ist sie formbar, eine plastische Dimension, aber was man mit sich selbst auch anstellt, es wird einem nie gelingen, diese Uhr anzuhalten –« er deutete auf die Uhr, die auf dem Tisch stand – »oder sie dazu zu bringen, rückwärts zu gehen. Und aus genau demselben Grund können Sie auch nicht aus der Stadt heraus.«
    »Der Vergleich stimmt nicht«, sagte M. Er deutete auf die Zimmerwände und auf die Straßenlampen. »All das haben wir gebaut. Die Frage, die niemand beantworten kann, lautet: Was war hier, bevor wir es gebaut haben?«
    »Das war schon immer hier«, sagte der Arzt. »Nicht gerade diese Ziegelsteine und Pfeiler, aber andere. Man akzeptiert einfach, daß die Zeit keinen Anfang und kein Ende hat. Die Stadt ist so alt wie die Zeit und lebt mit ihr fort.«
    »Irgend jemand muß die ersten Ziegelsteine gelegt haben«, sagte M. unbeirrt. »Schließlich gab es die Foundation.«
    »Eine Legende. Nur die Wissenschaftler glauben daran, und selbst die sind bemüht, die Sache nicht so wichtig zu nehmen. Privat geben die meisten von ihnen längst zu, daß der Foundation-Stein nichts als Aberglaube ist. Ein Lippenbekenntnis, dem wir aus reiner Bequemlichkeit huldigen, und weil es uns das Gefühl von Tradition vermittelt. Es ist doch ganz offensichtlich, daß es keinen ersten Baustein gegeben haben kann. Denn wenn es ihn gäbe, wie wollte man sich dann erklären, wer ihn gelegt hat, und, noch schwieriger, woher der kam, der ihn gelegt hat!«
    »Irgendwo muß es freien Raum geben«, sagte M. störrisch. »Die Stadt muß Grenzen haben.«
    » Warum? « fragte der Arzt. »Sie kann nicht inmitten eines Nichts schweben. Oder ist es das, was Sie gern glauben wollen?«
    M. sank schlaff in seinem Stuhl zurück. »Nein.«
    Der Arzt sah M. eine Weile schweigend an und ging dann wieder zum Tisch. »Dieser eigenartige Komplex von Ihnen ist mir rätselhaft. Sie sind in etwas gefangen, das die Psychiater als paradoxe Gegenwart bezeichnen. Vielleicht haben Sie etwas, das Sie über die Mauer gehört haben, falsch ausgelegt?«
    M. blickte auf. »Welche Mauer?«
    Der Arzt nickte wie zu sich selbst. »Einer fortschrittlichen Ansicht zufolge soll die Stadt von einer Mauer umgeben sein, die man unmöglich überwinden kann. Ich behaupte nicht, diese Theorie zu verstehen. Sie ist viel zu abstrakt und hochgestochen. Auf jeden Fall habe ich den Verdacht, daß man diese Mauer mit den abgeriegelten schwarzen Gebieten durcheinandergebracht hat, durch die Sie mit dem Schlafzug gekommen sind. Mir ist die allseits anerkannte Meinung, daß sich die Stadt ohne Grenzen in alle Richtungen erstreckt, lieber.«
    Er ging zur Tür. »Warten Sie hier, ich werde sehen, was ich wegen einer bedingten Freilassung für Sie tun kann. Machen Sie sich keine Sorgen, die Psychiater werden das schon alles wieder zurechtbiegen für Sie.«
    Als der Azt gegangen war, starrte M. vor sich auf den Fußboden, viel zu erschöpft, um Erleichterung zu spüren. Er stand auf und streckte sich und ging mit etwas wackligen Schritten durchs Zimmer.
    Draußen gingen die letzten Positionslampen aus, und der Wachmann auf dem Steg

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