Sieben Phantastische Geschichten
war er gegen jede Anmaßung, die sich die übrige Gesellschaft herausnahm, gefeit, und wenn vielleicht auch nur durch die Erzeugung obsessiver Phantasievorstellungen, so wie die gegenwärtige über die unterbewußte Werbung.
Die Fähigkeit, auf Anreize zu reagieren, selbst irrationale, war ein gültiges Kriterium von Freiheit. Im Gegensatz dazu war jede Freiheit, die Franklin besaß, lächerlich gering und wurde durch die mannigfaltige Verantwortung, die den Mittelpunkt seines Lebens bildete, eingeengt – die drei Hypotheken auf seinem Haus, die obligatorischen Cocktailpartys, die private fachärztliche Beratung, die fast den ganzen Samstag in Anspruch nahm und mit deren Hilfe die Vielzahl der Haushaltsgeräte, Kleidung und frühere Urlaube abbezahlt wurden. Fast die einzige Zeit, die er für sich selbst hatte, war die Fahrt zur Arbeit und zurück.
Aber wenigstens waren die Straßen ausgezeichnet. Was immer man an der gegenwärtigen Gesellschaft zu kritisieren hatte – wie man Straßen baute, das wußte sie jedenfalls. Acht-, zehn- und zwölfspurige Schnellstraßen durchzogen das Land, senkten sich von den erhöht angelegten Chausseen in die riesigen Autoparks im Zentrum der Städte oder teilten sich zu dem vielverzweigten Adernetz, das die Vororte überzog und in die viele Morgen großen Parkflächen rund um die Einkaufszentren mündete. Die Straßen und Autoparks bedeckten zusammen mehr als ein Drittel des gesamten Landes, und in der Nähe der Städte war das Verhältnis sogar noch größer. Die alten Städte waren von den großen beweglichen Skulpturen kleeblattförmiger Autobahnkreuzungen und den Flugschneisen umgeben, und ständig kamen neue dazu.
Die zehn Meilen lange Fahrt nach Hause zog sich in Wirklichkeit über 25 Meilen hin und dauerte jetzt doppelt so lange wie vor dem Bau der Schnellstraße, und die zusätzlichen Meilen ergaben sich aus den drei großen Kleeblattkreuzungen. Aus den Motels, Cafés und Automärkten rund um die Autobahnen wurden neue Städte. Beim geringsten Hinweis auf eine neue Kreuzung breitete sich zwischen dem Wald aus elektrischen Tafeln und Straßenschildern eine Hüttenstadt aus Buden und Tankstellen aus.
Auf allen Seiten war er von Autos umzingelt, die in die Vororte strömten. Die weichen Bewegungen des Wagens wirkten beruhigend, und Franklin scherte in die nächstschnellere Fahrbahn aus. Als er den Wagen von vierzig auf fünzig Meilen pro Stunde beschleunigte, gaben seine Reifen einen ohrenbetäubenden schrillen Ton von sich, der die Karosserie des Wagens zum Erzittern brachte. Anscheinend um der Fahrdisziplin nachzuhelfen, war die Oberfläche der Straße mit einem Flechtwerk kleiner Gumminägel überzogen, die auf jeder Fahrbahn in immer weiteren Abständen angebracht waren, so daß das Dröhnen der Reifen jeweils genau mit 40, 50, 60 und 70 Meilen pro Stunde in Resonanz stand. Länger als ein paar Sekunden mit einer dazwischenliegenden Geschwindigkeit zu fahren, wurde zu einer außerordentlich enervierenden Angelegenheit und endete unweigerlich mit einem Reifenschaden oder mit einem Schaden am Fahrzeug selbst.
Wenn die Gummibolzen aufhörten, wurden sie durch andere Strukturen ersetzt, die zum Profil der neuesten Reifensorte paßten, so daß sich zwangsläufig ein regelmäßiger Reifenwechsel ergab, wodurch die Sicherheit und die Effektivität der Schnellstraße erhöht wurde. Erhöht wurden auch die öffentlichen Einnahmen der Auto- und Reifenhersteller. Die meisten Wagen, die älter als sechs Monate waren, fielen unter dem ständigen Hämmern auseinander, aber das wurde als ein wünschenswerter Effekt betrachtet, denn der ständige Reifenwechsel setzte den Einheitspreis herab und hatte einen häufigen Wechsel der Modelle zur Folge, und die Straßen blieben von den verkehrsgefährdenden Fahrzeugen verschont.
Eine Viertelmeile vor ihm, kurz vor der ersten Kleeblattkreuzung, verlangsamte sich der Verkehrsstrom, große Polizeischilder signalisierten »Straßensperre« und eine Tempoverringerung auf zehn Meilen pro Stunde.
Franklin versuchte, auf seine alte Fahrbahn zurückzu
kommen, aber die Wagen fuhren Stoßstange an Stoßstange. Als das Fahrgestell zu vibrieren begann und ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief, preßte er die Zähne zusammen und bemühte sich krampfhaft, nicht auf die Hupe zu drücken. Andere Fahrer besaßen nicht soviel Selbstbeherrschung, überall dröhnten Motoren auf und starben ab, ein Hupkonzert setzte ein. Die Straßengebühren waren jetzt
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