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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sie wurde, desto feuriger wurde es. Seine Augen waren katzenhaft grün, genau wie die ihren. Und, vor allen Dingen: Er hatte unter dem rechten Auge ein winziges Muttermal, genau an der gleichen Stelle wie sie selbst. Es sah aus wie ein kleines Herz, durch das jemand ein Schwert gerammt hatte – die gleiche Form wie bei ihr. »Mäuseherz«, hatte ihre Mutter sie deshalb genannt, als Dea noch klein gewesen war. Aber das war lange her, und seit letzter Nacht schienen mehrere Jahre dazugekommen zu sein. Dea kam sich mit einem Mal schrecklich erwachsen vor.
    »Ich muss mit Euch sprechen«, sagte sie, als Gotens Blick sie durchbohrte. Sie hatte das Gefühl, möglichst schnell etwas sagen zu müssen. Irgendetwas.
    »Ich weiß«, erwiderte er und wandte seine Augen wieder dem schlammigen Waldweg zu.
    »Ach, ja?«
    »Deine Mutter schickt dich, nehme ich an«, drang es unter der Kapuze hervor. »Oder sagen wir besser, die Frau, die du bis jetzt für deine Mutter gehalten hast.«
    »Die ich –«. Dea brach ab. Seine Worte trafen sie wie ein Blitzschlag.
    »Du wirst alles erfahren«, sagte er. »Es ist längst an der Zeit, fürchte ich.«
    Erneut drehte er sich zu ihr um, blickte lange in ihr Gesicht. Trotz der Kälte wurde ihr glühend heiß. Sie spürte, wie ihre Wangen rot anliefen.
    »Aber erst einmal sollte ich mich dir wohl vorstellen«, fuhr er fort, und dann sagte er etwas, das sie fast versteinern ließ: »Ich bin dein Vater, Dea.«

Wer ist Goten?
    »Die Frau, die dich aufgezogen hat, ist nicht deine leibliche Mutter«, erklärte Goten, nachdem Dea ein wenig ruhiger geworden war.
    Tausend Fragen brannten ihr auf der Zunge, aber sie schwieg, weil sie hoffte, der Hexenjäger – ihr Vater? – würde von sich aus alles erzählen. Außerdem hätte sie wahrscheinlich gar kein Wort herausbekommen.
    »Deine wirkliche Mutter«, fuhr er fort, »war eine Nonne im Kloster Sankt Angela. Sie war noch sehr jung, damals, genau wie ich. Ich stand kurz vor meiner Weihe zum Priester, und ich … wir verliebten uns ineinander.« Das kurze Zögern, das seine Verlegenheit verriet, passte so gar nicht zu jemandem, der gerade einen Menschen und eine ganze Kirche verbrannt hatte. Dea dachte, dass Goten wahrhaftig voller Widersprüche steckte. Das machte ihn noch rätselhafter.
    Goten blickte geradeaus auf den Waldweg. Leichter Schneefall hatte eingesetzt. Die Flocken verfingen sich im borstigen Fell des Pferderückens.
    »Unsere Liebe musste geheim bleiben, und eine Zeit lang gelang es uns, dafür zu sorgen, dass niemand davon erfuhr. Dann aber wurde deine Mutter schwanger, und die ganze Sache wurde bekannt. Die Kirchenoberen schlugen mit aller Härte zu. Deine Mutter und ich wurden getrennt … Ich habe sie seit damals nicht mehr wieder gesehen.«
    »Du weißt nicht, was aus ihr geworden ist?«, brachte Dea stockend hervor.
    »Sie starb«, gab Goten zurück. »Schon vor vielen Jahren. Eine ihrer Vertrauten sandte mir eine Botschaft. Es war das Scharlachfieber.« Er machte eine lange Pause, so als fehlten ihm mit einem Mal die Worte. Dea wünschte sich, einen erneuten Blick unter die Kapuze werfen zu können. Ob Tränen in seinen Augen waren? Nein, unmöglich, nicht bei einem Mann wie ihm, ein Mann, der seine Gnadenlosigkeit und Härte an diesem Tag nur allzu deutlich gezeigt hatte.
    Schließlich sprach Goten weiter. »Die Freundin deiner Mutter teilte mir mit, dass man dich gleich nach deiner Geburt von ihr fortgebracht hatte – nach Giebelstein. Dort hatte man eine Frau gefunden, die sich bereit erklärte, für dich zu sorgen. Der Ruf dieser Frau war augenscheinlich nicht der beste, aber vielleicht hielt man das nur für angebracht, denn in den Augen der Kirche warst du ein Kind, das eigentlich nicht hätte leben dürfen. Ein Wunder, dass sie dich nicht gleich im nächstbesten Brunnen ertränkt haben.«
    Je länger er sprach, desto verbitterter klang seine Stimme. Schon die ganze Zeit über lag Dea eine Frage auf den Lippen, und nun konnte sie sie nicht länger zurückhalten.
    »Sag, bei allem, was die Kirche dir angetan hat – warum stehst du dann noch immer in ihrem Dienst?«
    Darauf schwieg er abermals eine ganze Weile, während Giebelstein immer weiter hinter ihnen zurückblieb. Der Schnee wurde stärker. Große, federleichte Flocken fielen lautlos, und bald reichte ihre Sicht kaum noch über den Kopf des Pferdes hinaus.
    Als Dea schon längst nicht mehr mit einer Antwort rechnete, sagte Goten plötzlich: »Ich wollte der Kirche

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