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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Flüssigkeit bildete einen Ring um das gesamte Gebäude, kaum drei Schritte von den hölzernen Wänden entfernt.
    Ein Raunen und Flüstern ging durch die Menge. Niemand wusste so recht, was nun geschehen würde. Sogar der Vorsteher und Hartwig, der Priester, zeigten sich ratlos.
    Goten kam zu Fuß zurück. Alle, die erwartet hatten, er würde nun sein Schwert blankziehen und Ottwald damit drohen, wurden enttäuscht. Lediglich zwei runde Steine hielt Goten in Händen, und mit ihnen trat er nun an den Ring aus Flüssigkeit.
    Noch einmal wandte er sich an die versammelten Giebelsteiner. »Geht zurück!«, forderte er in herrischem Tonfall. Die Menschen gehorchten auf der Stelle.
    »Weiter, weiter!«, rief Goten ihnen zu.
    Und während Dea und die anderen zurückwichen, bis sie fast gegen die Hütten am Rande des Kirchplatzes stießen, wandte Goten sich an die Bogenschützen auf dem Dach. Die drei Männer wussten nicht recht, ob sie ihn bedrohen oder lieber davonlaufen sollten.
    »Ich gebe euch zum letzten Mal einen guten Rat«, rief der Hexenjäger ihnen zu. »Und gebt ihn auch an alle anderen weiter, die sich in der Kirche verkrochen haben!« Goten griff unter seine Kutte und zog eine große Sanduhr aus dickem, trübem Glas hervor. Deutlich sichtbar für alle, stellte er sie außerhalb des Kreises am Boden ab. »Wenn der Sand durchgelaufen ist«, fuhr er fort, »wird jeder sterben, der sich im Inneren der Kirche aufhält – ganz gleich ob Mann oder Frau oder Kind! Sagt das euren Leuten. Wer nicht auf der Stelle herauskommt, ist des Todes!«
     

    Die Bogenschützen sahen einander unschlüssig an, dann verließen sie nacheinander ihre Posten. Hastig verschwanden sie unter dem Dach, und bald drangen aus der Kirche die Laute eines heftigen Aufruhrs. Ottwalds Stimme übertönte alle anderen, aber erstmals schien sich Widerstand gegen seine Befehle zu regen.
    Dea sah von weitem zu, wie der Sand durch die Glaskolben der Uhr rieselte. Die Hälfte der Zeit war bereits abgelaufen.
    Mit einem Donnern schwangen plötzlich die hohen schmalen Flügel des Portals auf. Dahinter war es vollkommen dunkel. Einige Herzschläge lang rührte sich nichts. Die Menge hielt den Atem an. Dann aber wurden Schritte und Rufe im Inneren der Kirche laut, und schlagartig ergoss sich ein Schwall von Menschen aus dem hölzernen Gebäude hinaus auf den Platz. Dea erkannte Ottwalds Familie, dann sein gesamtes Gefolge. Sogar die drei Bogenschützen hatten ihre Waffen beiseite geworfen und flohen rasch ins Freie.
    Nur Ottwald zeigte sich nicht.
    Die letzten Körner rauschten aus dem oberen Kolben der Sanduhr. Gotens Frist war abgelaufen.
    Ohne weitere Warnung ging der Hexenjäger in die Hocke und schlug über der Flüssigkeit zweimal die beiden Feuersteine gegeneinander. Beim ersten Hieb sprühten nur winzige Funken und verpufften, beim zweiten aber loderte am Boden eine Flamme empor. Ganz kurz schien sie einsam im Sand zu tanzen, dann breitete sie sich mit einem lauten Fauchen in beide Richtungen über den gesamten Ring aus.
    Die Menschen auf dem Kirchplatz schrien auf. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Der Flammenring rund um die Kirche sah aus, als wären die Feuer der Hölle durch den Boden gebrochen, um das Gotteshaus zu verzehren.
    Keiner der Zuschauer brüllte lauter als Hartwig. Der alte Priester hatte Augen und Mund weit aufgerissen, fasste sich mit der Linken an die Brust und fuchtelte mit seinem Krückstock. Er stieß gellende Schreie in die Richtung des Hexenjägers aus, drohte und fluchte, als wäre er selbst im Kreis der Flammen eingeschlossen.
    Hartwig hatte Goten herbeigerufen, weil er sich von ihm Hilfe erhofft hatte. Ottwald sollte vor Gericht gestellt werden – vor das Gericht der Kirche und das Gericht Gottes. Doch was tat der Hexenjäger stattdessen? Er brannte die gesamte Kirche nieder! Zerstörte alles, für das Hartwig die ganzen Jahre gearbeitet hatte!
    Ohne den tobenden Alten zu beachten, blickte Goten durch das Feuer zur Kirche. Die ersten Flammen griffen auf die Holzwände über. Rasend schnell züngelten sie an den Brettern und Balken empor.
    Oben auf dem Dach erschien eine kolossale Gestalt. Der fette Ottwald hatte sich Mantel und Hut aufgesetzt, als ginge es darum, die schreckensbleichen Zuschauer würdig zu grüßen. Ein irres Grinsen lag auf seinen Zügen, als er einen der Langbogen hob und unter schrillem Gelächter einen Pfeil auf Goten abschoss.
    Der Angriff schlug fehl. Goten zuckte nicht einmal, während der

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