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Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Titel: Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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»Labyrinth« lief allen ein eisiger Schauer über den Rücken, sogar Kyra selbst bekam eine Gänsehaut.
    »Okay«, meinte Chris schließlich. »Das Beste ist sicher, wenn wir uns trennen.«
    »Trennen?«, wiederholte Nils ungläubig und runzelte die Stirn.
    »Ja, sicher. Zwei von uns lenken den Storch ab, während die anderen beiden runter in den Keller gehen.«
    »Oh ja, klasse Idee!«, entfuhr es Nils mit überschnappender Stimme. »Den Storch ablenken. Und wer sollte so lebensmüde sein, das zu versuchen?«
    »Ich«, erwiderte Chris mit einem Schulterzucken.
    Lisa redete drauflos, ehe sie über die Folgen nachdachte – die Verlockung, eine Weile mit Chris allein zu sein, war allzu verführerisch. »Ich komme mit dir«, sagte sie wie aus der Pistole geschossen und schenkte Chris ein nervöses Lächeln.
    Kyra sah ihre Freundin erstaunt an, dann atmete sie tief durch. »Das heißt, dass Nils und ich in den Keller gehen.«
    Nils schmollte, widersprach aber nicht länger. Er hatte eingesehen, dass dies der einzige Weg war, den Dämon zu vertreiben.
    »Damit wäre ja alles geklärt«, sagte Chris. Sogleich machte er sich daran, den Rollschrank von der Tür fortzuschieben.
    »Sollten wir damit nicht noch ein wenig warten?«, fragte Nils kleinlaut. »Ich meine, nur bis wir sicher sind, dass er nicht mehr dort draußen ist.«
    Kyra schüttelte den Kopf und half Chris beim Drücken. »Er wird für immer dort draußen bleiben, wenn wir nicht bald etwas unternehmen.«
    Nils stöhnte leise, dann beteiligte er sich widerwillig an den Anstrengungen der beiden.
    Nur Lisa half nicht mit. Sie stand da, hatte den Freunden den Rücken zugekehrt und blickte hinüber zum Kamin.
    Der Steinboden der Feuerstelle war jetzt mit Ruß bedeckt. Lisa war vollkommen sicher, dass er eben noch sauber gewesen war.
    Langsam, wie in Trance, umrundete sie die Ledersessel und ging auf den Kamin zu. Ihre Bewegungen waren steif und abgehackt.
    Es roch intensiv nach kalter Asche. Und da, jetzt rieselte erneut etwas von oben aus dem Kamin herab und sammelte sich am Boden.
    »Lisa!«, rief Chris hinter ihrem Rücken, weit, weit entfernt auf der anderen Seite der Bibliothek.
    Sie beachtete ihn nicht. Das Entsetzen brach ihren Widerstand und lähmte ihre Zunge. Gebannt trat sie durch den steinernen Bogen der Feuerstelle. Die Öffnung war groß genug, um ein Picknick darin zu veranstalten.
    Eine einzelne schwarze Feder fiel träge aus dem Schacht herab. Sie schaukelte und drehte sich, senkte sich wie in Zeitlupe zu Boden. Dort blieb sie inmitten des Rußhaufens liegen.
    Lisa hob langsam den Kopf, blickte über sich.
    Ruß rieselte lautlos auf den Boden. Wie gebannt sah sie zu, wie von oben etwas näher kam.

Der Umriss des Dämons verdunkelte den Schacht.
    Etwas schoss auf Lisas Gesicht zu. Klappernd schnappte es über ihrer Stirn zusammen, verfehlte sie nur um Haaresbreite. Der Schnabel ragte aus der Schwärze herab wie der Stachel eines gigantischen Insekts, stieß zuckend vor und zurück.
    Lisa schrie. Hände packten sie von hinten, rissen an ihren Armen. Sie lief, ohne zu sehen, wohin. Ließ sich von den anderen mitziehen. Quer durch die Bibliothek. Zur offenen Tür. Hinaus auf den Gang.
    »Schnell!«, brüllte Chris. »Komm schon, schneller!«
    Hinter ihnen ertönte ein Rumpeln. Der Rußgestank drang bis auf den Korridor, als sich der Dämon aus dem Kaminschacht schob.
    Lisa blinzelte Ruß aus ihren Augen, schaute über ihre Schulter.
    Der schwarze Storch schüttelte sein Gefieder, umwogt von einer Schmutzwolke. Hastig nahm er die Verfolgung auf. Setzte mit weiten Sprüngen über die Sessel hinweg, stürmte auf die Kinder zu.
    »Wo sind –«
    Chris ließ Lisa nicht ausreden. »Schon unterwegs in den Keller.«
    Die beiden stürmten den Korridor entlang in Richtung Eingangshalle, die sich leer vor ihnen erstreckte.
    Hinter ihnen fegte der Dämon heran.
    »Was jetzt?«, rief Lisa außer sich vor Entsetzen.
    Chris grinste im Rennen zu ihr herüber; es sah jedoch nicht fröhlich aus, eher, als hätte er Schmerzen.
    »Jetzt«, keuchte er abgehetzt, »tun wir, was wir uns vorgenommen haben. Wir lenken den Mistkerl ab.«
    »Und wie?«
    »Wir laufen. So schnell wir können. Und wenn wir Glück haben, ist das vielleicht sogar schnell genug.«

Kellergeister
    Kyra folgte Nils die Kellertreppe hinunter.
    Irgendwo hinter ihnen, in weiter Ferne, ertönte Lärm. Offenbar hatte der Dämon Chris’ und Lisas Verfolgung aufgenommen. Kyra, die alles andere als fromm war,

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