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Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Titel: Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ladentheke. »Ein paar Freiwillige suchen ihn draußen auf den Hügeln.«
    Kyra und die anderen zuckten zusammen.
    »Kropf?«, fragte Lisa. Ihre Stimme klang zittrig. »Verschwunden?«
    Tante Kassandra nickte. Wie immer trug sie eines ihrer weiten Kleider aus grobem Leinen. Die Flut ihrer leuchtend roten Locken hatte sie mit einem halben Dutzend Klammern und Spangen hochgesteckt. »Wenn ihr mich fragt«, sagte sie, »liegt er sturzbetrunken irgendwo im Gras – und riecht wahrscheinlich ziemlich schlecht. Wäre jedenfalls nicht das erste Mal.«
    »Warum suchen die Leute ihn dann?«, wollte Chris wissen.
    »Habt ihr gehört, dass eines seiner Schafe umgekommen ist?«, fragte Tante Kassandra. »Na ja, er hat wohl ein ziemliches Theater darum gemacht. Hat behauptet, es sei umgebracht worden und so weiter. Er ist gestern Abend durch die Kneipen gezogen und muss alle ziemlich verrückt gemacht haben mit seinem Gerede. Am Ende war er wohl so betrunken, dass sich ein paar Leute wirklich Sorgen um ihn gemacht haben. Und als er heute Morgen nicht beim Bauern erschienen ist, haben sich einige aus dem Ort auf die Suche nach ihm gemacht. Sie haben in allen Geschäften gefragt, ob ihn jemand gesehen hat.«
    Kyra und die anderen wechselten einen langen Blick. Lisa nickte ihrer Freundin auffordernd zu.
    »Tante Kassandra?«, begann Kyra zögernd.
    »Hm?«
    Kyra seufzte. »Wir müssen dir was zeigen.«

Kassandra wurde bleich. »Doch nicht schon wieder die –«
    Sie brach ab, als die vier Freunde ihr die Innenseiten ihrer Unterarme entgegenhielten. Auf jedem hoben sich deutlich sichtbar die sieben magischen Male ab.
    Tante Kassandra ließ sich auf einen der Stühle fallen, die rund um einen kleinen Holztisch am Schaufenster standen. »Oh nein«, stöhnte sie. Sie rieb sich mit dem Handballen die Augen, atmete tief durch und fragte dann: »Hexen?«
    »Wir wissen es nicht«, sagte Chris. »Aber es hat irgendwie auch mit Kropf zu tun. Und mit seinem Schaf.«
    »Und den Vogelscheuchen«, fügte Nils hinzu.
    »Was für Vogelscheuchen?«
    Da erzählten die vier ihr alles, was vorgefallen war. Von ihrer Entdeckung auf dem Bahndamm, dem Besuch beim Stadtarchivar und den Scheuchen hinter dem Kerkerhof. Kyra kramte sogar den Nagelabdruck vom Schädel der Pestleiche hervor und zeigte ihn ihrer Tante.
    »Dann ist es also wieder so weit«, sagte Kassandra. Meist hielten die Freunde sie aus ihren Begegnungen mit den Mächten des Bösen heraus, doch heute war die Lage zu ernst. Schließlich war ganz Giebelstein von den Scheuchen bedroht, die unaufhaltsam über die Hügel näher rückten. Kassandra schloss einen Moment lang die Augen und überlegte. »Es hat wohl keinen Sinn, die Leute zu warnen. Viele Bauern benutzen Vogelscheuchen, das ist nichts Besonderes. Habt ihr schon irgendwas rausgefunden?«
    »Nein«, entgegnete Kyra. »Wir sollen heute Abend wieder ins Stadtarchiv kommen. Vielleicht weiß Herr Fleck dann ein bisschen mehr.«
    Kassandra nickte. »Das wird er wohl. Er ist ein kluger Mann. Etwas merkwürdig, aber klug. Und sehr belesen. Ich glaube, er weiß sogar über Abakus und das Arkanum Bescheid.«
    »Das hast du uns nie erzählt!«, entfuhr es Kyra scharf.
    »Warum hätten wir ihn auch noch in die Sache hineinziehen sollen?«, fragte ihre Tante. »Es ist doch schon schlimm genug, dass deine Freunde mit betroffen sind.«
    Chris straffte sich eifrig. »Das ist kein Problem.«
    »Wirklich nicht«, sagte auch Lisa.
    Nils nickte mürrisch. »Nee, völlig in Ordnung.«
    Tante Kassandra lächelte. »Kyra kann froh sein, dass sie euch als Freunde hat, wisst ihr das?« Sie schaute ihre Nichte an. »Weißt du das?«
    Kyra wurde rot. »Jaja«, sagte sie fahrig. Sie fand das alles ganz schön peinlich. »Aber was unternehmen wir denn jetzt?«
    »Wir können nichts machen, solange wir nicht bei Herrn Fleck waren«, sagte Chris. »Ohne mehr über diese Pestleichen und ihre Herkunft zu wissen, ist doch alles zwecklos.«
    »Kann ich euch irgendwie helfen?«, fragte Tante Kassandra. Am liebsten hätte sie die vier natürlich in irgendein Zimmer gesperrt, damit sie sich nicht schon wieder solchen Gefahren aussetzten. Aber sie wusste genau, dass es keinen Sinn hatte. Es gab kein Entrinnen vor dem Fluch der Sieben Siegel. Wenn die Freunde sich ihrem Schicksal nicht stellten, würde das Schicksal zu ihnen kommen – in diesem Fall eben in Gestalt der unheimlichen Vogelscheuchen.
    »Bleib du hier«, sagte Kyra zu ihrer Tante. »Halt einfach die Augen und

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