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Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Titel: Sieben Siegel 10 - Mondwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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versichern darf.«
    Verhaltenes Lachen ertönte, und ein paar Besucher versuchten, trotz des Fadens in ihrer Hand zu applaudieren.
    »Mein Name ist Doktor Julius Karfunkel, Herr der Schatten und Schwimmer im Abgrund zwischen den Sternen.«
    Lisa und Chris zuckten bei der Erwähnung des Namens zusammen, obwohl er sie nicht wirklich überraschte. Doktor Karfunkel war der letzte Leiter der Sternwarte gewesen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, dass die abgelegene Forschungsstation mit den Vorgängen auf den Gleisen zusammenhing, ja sogar der Ursprung des unheimlichen Treibens sein konnte.
    Wie hatte sich Doktor Karfunkel vorgestellt? Schwimmer zwischen den Sternen. Was, zum Teufel, mochte das nun wieder bedeuten?
    »Sie werden heute Abend Zeugen einer ganz außergewöhnlichen Darbietung werden, einer Show, die Sie – darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel – Ihr Leben lang nicht vergessen werden.«
    »Chris!«
    Er wirbelte herum. »Was ist?«
    »Hier!« Lisa hielt ihm ihre bebende rechte Hand entgegen. Ihre Finger um den Faden hatten sich geöffnet, und eigentlich hätte der Ballon jetzt davonfliegen müssen. Stattdessen aber schien das Ende der Schnur an der Unterkante von Lisas Handballen zu haften, so als wäre es dort festgeklebt.
    »Der Faden …«, stammelte sie, »er hat einen Widerhaken ausgefahren. Er … er hängt an meiner Hand.«
    Chris wollte ihr zu Hilfe kommen, als er bemerkte, dass der Faden seines eigenen Ballons ebenfalls festsaß. Lisa hatte Recht, es sah aus wie ein winziger Haken. Oder wie ein Fangzahn. Es tat nicht weh, kribbelte nicht einmal. Es war ähnlich wie bei einem Mückenstich, den man erst bemerkte, wenn das Insekt längst fort war.
    War es möglich, dass die Fäden genau wie eine Mücke etwas aus ihnen heraussaugten?
    Chris packte das Ende der Schnur mit der linken Hand und zerrte daran. Erst glaubte er, der Haken stecke zu tief in seiner Haut, doch dann gab der gebogene Stachel nach und löste sich.
    Auch Lisa hatte ihre Hand freibekommen. Sie hielt den Faden jetzt ein Stück weiter oben fest. Das Ende mit dem Haken wand sich wie eine winzige Schlange, kam aber nicht mehr an Lisas bloße Haut heran. Nach einigen Sekunden erschlaffte es und baumelte leblos nach unten.
    »Was, zum Teufel –«
    Chris verstummte, als er sah, dass außer ihnen niemandem aufzufallen schien, was geschah. Alle hatten ihre Gesichter Doktor Karfunkel zugewandt, der mit schriller Stimme in seiner Rede fortfuhr und kommende Sensationen anpries. Worin genau diese Sensationen allerdings bestehen sollten, verriet er mit keiner Silbe.
    Lisa war kurz davor, die anderen Besucher lauthals zu warnen, selbst auf die Gefahr hin, die Aufmerksamkeit der Schattenwesen auf sich zu ziehen. Doch ehe sie noch den Mund öffnen und sich mit Chris absprechen konnte, bemerkte sie etwas Erstaunliches. Ihre Nachbarin, ein blondes Mädchen, das mit großen Augen auf den Redner starrte, hielt den Ballon nicht am Ende der Schnur fest, sondern weiter oben. Hieß das etwa, dass es ihr gelungen war, den Ballon zu sich herunterzuziehen? Aber, nein – Lisa sah deutlich den Widerhaken, der sich in die Hand des Mädchens gebohrt hatte. Der übrige Teil der Schnur hing in einer Schlaufe herunter, die sich erst leicht, dann immer heftiger bewegte. Wie etwas Lebendiges zuckte sie hin und her, und plötzlich kam der Widerhaken aus der Handfläche frei.
    Um Lisa herum schien das Gleiche zu passieren. Überall zogen sich die Stacheln aus den Händen zurück. Offenbar hatte der kurze Zeitraum ausgereicht – für was auch immer.
    Aber was war es, das die Fäden aus ihren Opfern gesaugt hatten? Blut vielleicht? Oder – »Energie«, flüsterte Chris. »Das muss es sein. Sieh doch nur, wie die Ballons plötzlich hin und her wippen.«
    Lisa erkannte, dass er Recht hatte. Sogar einigen der anderen fiel es jetzt auf, denn sie blickten mit unsicherem Lachen zu ihren Ballons auf.
    »Was immer in diesen Dingern steckt«, fuhr Chris fort, »es wacht offenbar jetzt erst richtig auf.«
    Karfunkel ergriff abermals das Wort, ehe die Verwunderung der Menschen in Beunruhigung umschlagen konnte. »Zur Feier des Beginns unserer Show möchte ich Sie bitten, jetzt alle zugleich die Ballons in den Himmel steigen zu lassen. Ich zähle rückwärts: drei – zwei – und … eins!«
    Auf der ganzen Kieselwiese öffneten sich die Hände der Leute.
    Hundert schwarze Ballons stiegen empor, schwebten der wallenden Nebeldecke entgegen. Die Jungen und Mädchen klatschten und

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