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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Preusker
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ein Erbrechen als Zeichen meines Ekels ihm gegenüber deuten könnte und dass ihn das provozieren könnte. Auch das muss ich verhindern, um mein Leben zu retten.
    Ich habe das Gefühl, zu ersticken, ich bekomme keine Luft mehr. Es ist warm und stickig in dem Raum. K. lässt das Wasser laufen. Er sagt, dann wird es kühler und draußen kann keiner etwas hören. Ich bitte ihn, das Fenster zu öffnen. K. sagt: »Da draußen sind Scharfschützen. Selber machen!« Ich habe Angst, erschossen zu werden, öffne aber das Fenster. Ich muss verhindern, dass ich ohnmächtig werde. Es ist ganz still und dunkel in der Anstalt. Ich höre nichts. Die Außenbeleuchtung wurde kurz abgeschaltet. Ich k enne den Grund nicht und bekomme einen panikartigen Angstschub. Das einzige Licht kommt vom Bildschirm meines laufenden PCs. Ich höre draußen und im Haus nichts. Ich habe das Gefühl, die Welt hat mich verlassen. Man hat mich vergessen. Ich bin mit K. alleine in einer weiten Wüste. Ich werde das nicht überleben. Messer, Sekundenkleber und die Flasche mit der Kanüle, auch mein Schal sind während der ganzen Zeit in greifbarer Nähe.
    Plötzlich wird K. nervös, rennt auf und ab, nimmt nochmals die Schere und versucht, die Schrauben des großen Schranks zu lösen, was nicht gelingt. Er wird noch hektischer, nimmt das Messer in die Hand, legt es wieder weg.
    K. lässt zu, dass ich mich anziehe. Einige Zeit später fängt er wieder an, unter meinem T-Shirt meine Brust zu kneten. Einen BH trage ich nicht, weil K. ihn vorher zerschnitten hat. K. zieht mir wieder Hose, Slip und Schuhe aus. Die Vergewaltigungen setzen sich fort. K. dringt mindestens zehnmal in unterschiedlichsten Positionen gewaltsam und ungeschützt in mich ein. Ob K. nochmals ejakuliert, spüre ich vermutlich vor Schmerzen nicht mehr. Ich habe pochende Schmerzen im Inneren meiner Vagina, jeder Stoß der Vergewaltigung bewirkt einen unerträglichen Stich.
    Ich sitze dann mit entblößtem Unterkörper auf meinem Stuhl, während K. mit Herrn P. über die Bedingungen seiner Aufgabe verhandelt. Während K. immer wieder darüber nachdenkt, ob er die Bedingungen – keine Festnahme durch das Spezialeinsatzkommando, Kontakt zu und Besuch von Frau M., Unterbringung in seinem Haftraum, kein Arrest – akzeptieren und aufgeben soll, isst er die Scheiben meines Knäckebrots, das ich in meinem Zimmer habe. Er sagt, das schmeckt gut. Ich esse nichts, er bietet mir auch nichts an. Ich habe Mineralwasser und Cola light im Büro, was K. trinkt. Ich bekomme auf nachhaltige Bitte irgendwann etwas Leitungswasser.
    D ass K. die Bedingungen des Herrn P. ernst nimmt und akzeptiert, irritiert mich. Ich kann nicht glauben, dass er so realitätsfern ist. Ich habe Angst, er dreht endgültig durch. Ich habe Angst, er wird jeden Moment feststellen, dass es so nicht sein kann. Ich habe schreckliche Angst, dass er mich dann töten wird.
    Irgendwann beginnt K., die Barrikade vor der Tür abzubauen, schließt aber die Tür nicht auf. Ich ziehe mich an und packe relativ wahllos, wie ein Roboter, Dinge in meine Tasche. K. sagt, er habe Angst, den Raum zu verlassen. Nach der Anweisung des Herrn P. habe ich das Messer in der Hand. Bis heute ist mir unerklärlich, wieso K. das zugelassen hat. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten, mir tut alles weh, ich zittere. Ich habe meine Tasche über der Schulter und verdecke das Messer halb mit dem Schal. Ich habe Angst, der Anblick des Messers in meiner Hand könnte K. provozieren und weiter gegen mich aufbringen. Im Türrahmen fragt er mich zynisch und boshaft, ob ich ihn denn nicht angreifen möchte. Ich kollabiere fast. Ich denke, nach all den Qualen nun doch noch getötet zu werden. Die Vorstellung, noch irgendeine körperliche Kraftanstrengung zu meistern, fühlt sich völlig absurd an. Und K. weiß das. Wir verlassen dann den Raum.
    In diesen sieben Stunden hat mein altes Leben aufgehört, zu sein. Das Leben der erfolgreichen, jüngst beförderten Psychologin, Leiterin einer Sozialtherapeutischen Abteilung, gefragten Gutachterin und Dozentin, anerkannten Kollegin und Chefin, war genau zehn Tage vor ihrer Hochzeit beendet. Nun war ich Opfer. Dazu geworden durch die Hände eines Mörders und Vergewaltigers, den ich über vier Jahre in der Therapie hatte. Auf einer Abteilung, die aufzubauen mir eine fachliche und persönliche Freude war. Ich will und werde nichts dazu sagen, wie das passieren konnte. Das wäre ein fachlicher Diskurs, denzu führen ich nicht

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