Sieben
Mythengeschichte weiter,
so begegnet einem diese immer wieder: von den »Sieben Stufen des mystischen Lebens« des flämischen Schriftstellers und Theologen
Jan van Ruysbroek (1293 – 1381) über die siebenmalige Umkreisung der Kaaba in Mekka bis hin zur jener schon erwähnten Ratgeberliteratur, der zufolge
der Weg zum Erfolg ebenfalls auffallend oft in »sieben Schritten« oder »sieben Stufen« vorgezeichnet ist.
Auch die siebenlastigen »biblisch-talmudischen Medizin-Rezepturen « fanden ihren Weg von Sumer/Babylon über die alttestamentarischen Bibeltexte mit Streuwirkung durch die kabbalistische Exegese. So lautet die Empfehlung im Falle einer Malaria-Erkrankung beispielsweise:
Nimm sieben raue Rindenstückchen von der Palme, dazu sieben Balkensplitter, sieben Nägel von sieben Brücken, sieben Aschen
von sieben Öfen, sieben Löffelvoll Erde von sieben Schwellen, sieben Stück Pech von sieben Schiffen, sieben Handvoll Kümmel
und sieben Barthaare eines alten Hundes und binde all dies mit weißem (!) Zwirn an den Halsausschnitt des Hemdes!
Solcherlei Übertreibungen haben zu allen Zeiten ähnlich die Attraktivität und Nachhaltigkeit der mystischen Sieben gesteigert,
wie die Sieben umgekehrt allfälligen Spekulationen eine Aura ewiger Wahrheit verlieh. Da auch in unserem 21. Jahrhundert nicht wenige derartige Spekulationen nach wie vor als gleichsam »gesicherte« Wahrheiten gelten – Stichwörter:
sieben Weltwunder, Siebengestirn, Siebenhügelstädte –, wollen wir uns im folgenden Kapitel mit einer Reihe von fragwürdigen Beziehungen zur Zahl Sieben beschäftigen.
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Koloss statt Knossos?
Zweifelhaftes und Bezweifelnswertes
Welcher Besucher Roms würde wohl beim Blick von einem der berühmten Hügel ausgerechnet an jene blutigen historischen Ereignisse
denken, die sich mit dem einen oder anderen dieser Erhebungen verbinden? Etwa dass am Monte Pincio einstmals die 2 8-jährige mord- und sexlustige Messalina, Nichte und Gattin des römischen Kaisers Claudius, in genau jenen Lucullischen Gärten ermordet
wurde, die sie erst kurz zuvor dank einer nicht minder blutigen Intrige ergattert hatte.
Oder dass am rund 75 Meter hohen Vaticano in vorchristlicher Zeit reihenweise Selbstentmannungsorgien der populären Kybele-Attis-Mysterien stattfanden.
Oder dass im Jahr 65 am selben Hügel der Apostel Petrus im Circus des Kaisers Caligula den Märtyrertod fand, um anschließend
von Anhängern heimlich hinter der Kampfbahn bestattet zu werden.
Nicht minder blutig verlief im Mai 1849 der Ansturm der französischen Papsttruppen gegen den von römischen Freiheitskämpfern
unter Giuseppe Garibaldi besetzten Gianicolo.
Drei römische Hügel, drei Geschichten – und ein kleiner Schönheitsfehler: Denn keiner der genannten Hügel zählt zu den berühmten
»sieben Hügeln« der Ewigen Stadt. Diese heißen – heute wie vor 2000 Jahren – Palatin, Aventin, Kapitol, Esquilin, Quirinal, Viminal und Caelius und finden sichsämtlich innerhalb jener nur wenige Quadratkilometer großen Gemarkung, die der römische Kaiser Servius Tullius im 6. Jahrhundert vor Christus mittels einer pompösen Mauer umfrieden ließ. Zwar wurde der Gianicolo bereits bei der nächsten großen
Stadterweiterung im dritten nachchristlichen Jahrhundert »eingemeindet«, dennoch erwies sich der »Siebenhügel«-Nimbus als
derart mächtig, dass seither niemand daran zu kratzen wagte.
Ähnliches gilt für Portugals Metropole Lissabon, eine weitere berühmte »Siebenhügelstadt«. Hier wirkte der Mythos so lange
ungetrübt fort, bis der Historiker und Diplomat Damião de Góis in der Mitte des 16. Jahrhunderts genauer nachzählte und links und rechts des Tejo gerade mal fünf Hügel ermittelte. Damiãos Pech war, dass das
Weltbild im Großteil Europas zu dieser Zeit vom Katholizismus kontrolliertwurde und dass folgerichtig nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Damião de Góis landete wegen dieser und anderer »ketzerischer
Neigungen« in Haft und Verbannung und starb 7 2-jährig unter nie geklärten Umständen. Dennoch blieb das Zählergebnis des unglücklichen Historikers unkorrigiert, bis im Jahr 1620
ein gewisser Nicolau de Oliveira für sein ›Livro das Grandezas de Lisboa‹ erneut nachrechnete und die offizielle Hügelzahl
auf letztgültige sieben zurückstellte. Dabei wird den Lissabonern, egal ob sie zu Fuß, per Bus, Tram oder im Auto unterwegs
sind, ein ums andere
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