Siebenpfahl (German Edition)
raubte ihm fast den Atem, denn
Siebenpfahl kam immer näher. Tom kam zurückgelaufen und zerrte ihn hoch. »Mach
schon«, schrie er mit panischer Stimme. »Der erwischt uns sonst noch.«
Da stürzte Siebenpfahls Pferd. Es rutschte auf dem glitschigen
Boden aus und fiel zur Seite. Während Siebenpfahl einen kurzen Moment benommen
liegen blieb, stand das Pferd sofort wieder auf den Beinen und schnaubte aufgeregt.
Tom und Leon rannten weiter zum Burgtor, das jedoch heruntergelassen
war. Sie sahen darüber einen Wachmann, der sie aufmerksam mit zusammengekniffenen
Augen musterte. Als er sie erkannte, rief er nach unten, dass man das Tor einen
Spalt öffnen solle.
Als sich Siebenpfahl wieder erhoben hatte, sah er die beiden Jungen
unter dem Tor hindurchschlüpfen, gefolgt von einem Mann, der von hinten
herbeigeeilt war und es ebenfalls noch schaffte. »Lange wird euch das Glück
nicht mehr zur Seite stehen, das sollt ihr mir glauben!«, rief er den Jungen hinterher,
dann wandte er sich ab und eilte zum Haus des Doktors.
*
D er Doktor hatte die Flüssigkeit gerade in die Flasche gefüllt und
sie mit dem Korken verschlossen, als die Tür aufgestoßen wurde.
Geistesgegenwärtig drückte er Eberhard die Flasche in die Hand. »Geh und lauf
an die Burgmauer. Versteck dich dort und warte, bis die Jungen das Seil
herunterlassen. Ich versuche derweil die Angreifer aufzuhalten.«
Eberhard nickte und verschwand durch die Hintertür, während der
Doktor eine Flasche aus einem der Regale nahm. Darin befand sich eine
Essiglösung, die der Flüssigkeit für den Zeitsprung sehr ähnlich sah. Er hielt
sie vor sich in Brusthöhe und wartete auf die Eindringlinge, die soeben ins
Kräuterzimmer gestürmt kamen. »Keinen Schritt weiter!«, rief er und musterte
Kathar, bei dessen Anblick ihm ein kalter Schauder über den Rücken lief. Nie zuvor
hatte er in solch brutale und eiskalte Augen geschaut. Entsetzen packte ihn,
denn er war der Überzeugung, den sicheren Tod vor Augen zu haben. Dieser Mörder
würde ihn nicht davonkommen lassen, auch wenn er seine Forderungen erfüllen
würde. »Ich werde die Flasche zu Boden fallen lassen. Die Flüssigkeit werdet Ihr
dann niemals bekommen und es würde nichts werden mit Eurer Unsterblichkeit!«, brachte
er dennoch mit fester Stimme hervor. Er wusste Bescheid: Eberhard hatte ihm zuvor
alles bis ins Detail erzählt. Er wusste nun, was es mit dem Zeitsprung auf sich
hatte und wo die Jungen hergekommen waren. Zuerst hatte er es nicht glauben
wollen, sich aber letztendlich doch überzeugen lassen. Er hoffte nun, dass
Kathar auf seinen Trick hereinfallen würde und Eberhard dadurch den nötigen
Zeitvorteil nutzen konnte.
Kathar begann zu grinsen. Er blickte auf die Flasche und hob sein
Schwert. »Ich werde dir die Hand abschlagen, sodass die Flüssigkeit verloren geht.
Glaubst du wirklich, dass mir das ewige Leben etwas bedeuten könnte?«
Der Doktor schien zu überlegen. Er rechnete damit, dass ihm Kathar
nun gleich den Vorschlag machen würde, sein Leben zu verschonen, sollte er ihm
im Gegenzug die Flasche mit der Flüssigkeit aushändigen, da betrat Siebenpfahl das
Behandlungszimmer.
Wie oft war Siebenpfahl hier gewesen und hatte sich mit dem Doktor
über Heilkräuter und Behandlungsmethoden unterhalten. Wie oft hatten sie bei
einem Becher Wein zusammen gesessen und ihr Wissen ausgetauscht.
Der Doktor entspannte sich ein wenig, denn er war froh, dass Siebenpfahl
aufgetaucht war. Zwar war ihm klar, dass Siebenpfahl nicht der war, für den er
ihn immer gehalten hatte, aber dennoch beruhigte ihn sein Anblick.
Siebenpfahl musterte den Doktor wachsam, während seine Augen zu
schmalen Schlitzen wurden. Er wandte sich Kathar zu. »Was hat er Euch erzählt?«
»Er droht, die Flüssigkeit fallen zu lassen.« Kathar spuckte auf
den Boden aus. Dann wischte er sich mit dem Handrücken der linken Hand über den
Mund und fügte hinzu. »Er sagte, dann würde es nichts werden mit unserer Unsterblichkeit.«
Siebenpfahls Blick wurde kalt und bedrohlich. Er musterte die
Flasche mit einem kurzen Blick, »Das ist nicht die Flasche … der Doktor will
uns an der Nase herumführen!«, stieß er zornig hervor.
Kathars Kopf fuhr mit einem Ruck herum. »Was soll das bedeuten?
Wieso sollte der Doktor sein Leben für solch eine Lüge riskieren, wo er doch
die Unsterblichkeit erlangen könnte?«
»Das solltet Ihr ihn schon selbst fragen«, gab Siebenpfahl zurück.
»Das ewige Leben erlangen wir nur mit dem
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