Siebenpfahl (German Edition)
hielt. »Wird einen Moment dauern«,
vermutete er und schnitt eine weitere Grimasse. »Die sind nicht die
Schnellsten. Und beim nächsten Mal benutze ich besser den Eisenring, um anzuklopfen!«
Doch diesmal hatte sich Conrad getäuscht: Nach einem kurzen Moment
öffnete sich die kleine Klappe, die rechts in der Burgmauer eingelassen war. Ein
Mann lugte heraus, und als er Conrad sah, grinste er verständnisvoll. »Wo warst
du denn heute Nacht? Wohl zu tief in den Bierkrug geschaut?«, witzelte er mit
einem Augenzwinkern, während er leise vor sich hin kicherte.
»Ich bewundere deinen Scharfsinn!«, gab Conrad unbeeindruckt
zurück und deutete dem Wächter mit einer Geste an, doch bitte das Tor zu öffnen,
was dieser sogleich tat.
Auf dem Weg zur Unterkunft trafen sie Wilma, eine Cousine Conrads.
Sie trug einen geflochtenen Korb, in dem sich Gemüse befand. Fast jeden Tag,
ganz früh, kam sie auf die Burg, um es zu verkaufen. »Sei gegrüßt, Conrad, wie
geht’s dir?«, fragte sie und umarmte ihn flüchtig.
»Danke, gut … du weißt doch, schlechten Menschen geht’s immer gut!«
Wilma lachte und ging weiter. »Richte Margret und den Kindern
einen schönen Gruß von mir aus«, rief sie, dann war sie auch schon wieder
verschwunden.
Margret war außer sich vor Freude, Conrad und die Jungen gesund wiederzusehen.
Sie hielt Conrad fest an sich gedrückt und hätte ihn am liebsten nicht mehr
losgelassen. »Ich bin so froh, dass euch nichts zugestoßen ist«, stammelte sie
und löste sich sanft aus Conrads Umarmung. »Wie ist es dir ergangen?«, wandte
sie sich an Leon.
»Naja, ich hab schon bequemer geschlafen«, antwortete der und
versuchte dabei, so lässig wie möglich zu klingen.
Margret lächelte, doch dann verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck.
»Ihr habt vom Tod des Kaplans gehört?«, fragte sie und man konnte ihr anmerken,
wie betroffen sie selbst noch war.
Conrad nickte. »Ja, Ilse hat es uns erzählt.«
Nach und nach wachten jetzt auch die anderen auf. Zuerst Christopher,
der sofort Tom wachrüttelte, dann Pascal, André und Irmel. »Da seid ihr ja
endlich!«, rief Christopher erfreut und sprang auf.
Alle umarmten sich … und die Freude ließ sie einen Moment lang vergessen,
was ihnen heute noch bevorstand.
Conrad, der schon die ganze Zeit nach Caspar geschaut hatte, warf Margret
einen fragenden Blick zu. »Wie geht es ihm?«
Margret strahlte. »Es geht ihm schon viel besser. Das Mittel,
welches die Jungen bei sich hatten, hat ihm gut getan.«
Conrad kniete sich zu Caspar nieder, küsste ihn auf die Stirn und betrachtete
ihn. Dann erhob er sich und sagte zu Margret: »Wir gehen jetzt rüber in die
Unterkunft des Kaplans. Erstens wollen wir ihn noch einmal sehen und zweitens
wartet der Doktor dort auf uns. Wir erzählen dir später, was passiert ist – und
was uns noch erwartet.«
Margret nickte stumm.
Als Conrad den Kaplan auf seinem Bett liegen sah, konnte er im
ersten Moment gar nicht glauben, dass er tot war. Es sah für ihn so aus, als
schliefe er und müsse jeden Moment erwachen.
Sie alle standen am Bett des Kaplans. Eine außergewöhnliche Ruhe herrschte
und der Doktor, der hinter ihnen stand und sie beobachtete, spürte, wie nah
auch ihnen der Tod des alten Mannes ging.
Eberhard bat den Doktor, sich zu ihm zu setzen. Er hatte zuvor mit
Conrad vereinbart, dass er dem Doktor die Kräuter und Pflanzen aus dem Buch
vorlesen würde, sodass der ihnen bei der Suche behilflich sein konnte. Eberhard
konnte im Gegensatz zu Conrad lesen und schreiben.
Nachdem Eberhard die benötigten Pflanzen vorgelesen hatte, blickte
der Doktor besorgt auf. »Vier davon habe ich, zwei müssten in der Umgebung zu
finden sein, doch von der letzten habe ich noch nie etwas gehört!«
Eberhard hob die Augenbrauen und überlegte, während er sich im
Zimmer umsah. Er tat es eher aus Verlegenheit, da er im Moment nicht weiter wusste.
Doch plötzlich blieb sein Blick auf dem kleinen Beistelltisch haften, der
direkt neben dem Sessel des Kaplans stand. Auf ihm lag ein Buch, das er nahm
und in dem er zu lesen begann. Nach einer Weile nickte er. »Ich glaube, das ist
genau das, was wir suchen«, freute er sich und begann vorzulesen:»Die
Pflanze der Zeit ist in ihrer Schönheit unverwechselbar. Sie führt ihr Dasein
an Orten, an denen sich zwei Bäche zu einem vereinen.«
Eberhard schlug das Buch zu und blickte den Doktor an. »Wir
kümmern uns um die Pflanze der Zeit, während du die anderen Pflanzen
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