Siebenpfahl (German Edition)
annähernd so groß wie
der, der euch weiter oben erwartet hätte.«
»Was meinst du damit?«, fragte Conrad verwundert.
»Dass da oben Siebenpfahls Männer postiert sind! Sie kontrollieren
jeden, der in die Stadt will.«
»Warum das?«
»Sie suchen das Buch der Zauberpulver .«
Conrad überlegte: Wenn es sich um Siebenpfahls Ritter handelte, so
würden sie Leon mit Sicherheit erkennen. Aber auch ihn, war er doch mit Bauer
Franz auf der Burg gewesen, um Heu anzuliefern. »Wir müssen einen anderen Weg
finden, die Bücher in die Stadt zu schmuggeln … wir haben nämlich auch eins.«
»Das Notizbuch von Siebenpfahl?«, fragte Eberhard.
»Genau das!« Conrad nickte, wobei er Eberhard aufmerksam musterte.
»Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
Eberhard tastete vorsichtig über die Wunden. »Ich bin an Ästen hängen
geblieben … als ich durch den Wald geflüchtet bin.«
Conrad verzog den Mund. »Sieht übel aus!«
»Übel wäre untertrieben«, stellte Leon fest, worauf ihn Marcel mit
einem bedeutungsvollen Seitenblick strafte.
»Ich habe eine Idee«, wechselte Conrad das Thema. »Wir gehen durch
den Fluchttunnel in die Stadt.«
»Du meinst den Geheimgang?«, fragte Eberhard ungläubig.
»Genau den!«
»Du weißt, wo er sich befindet?«
»Ja!«
»Könnte mich mal jemand aufklären?«, mischte sich Marcel ein. Er
hatte keine Ahnung, wovon da gerade gesprochen wurde.
»Der geheime Tunnel ist für den Fall einer Belagerung gedacht«, erklärte
Eberhard. »Wo er sich befindet, wissen nur wenige Personen.«
»Aha, und was ist eine Belagerung?«, fragte Leon interessiert.
»Wenn ein fremdes Heer die Stadt in ihren Besitz bringen möchte,
dann belagert es das Gebiet rundum. Niemand kann mehr hinaus oder hinein.
Irgendwann gehen dann den Stadtbewohnern die Nahrungsmittel aus, sodass sie aufgeben
müssen. Die Stadt würde dann offiziell an die Angreifer übergeben. Der Vorteil
einer Belagerung gegenüber einem Kampf liegt für die Angreifer darin, dass sie
auf diese Art weniger Soldaten verlieren.«
»Was sind denn das für Sitten?«, zeigte sich Marcel verwundert.
»Naja, es ist eben so!«, hatte Eberhard keine andere Erklärung
dafür. Er wandte sich Conrad zu. »Woher kennst du die Lage des Fluchttunnels?«
»Vom Stadthalter. Er hat mich eingeweiht, weil er mir für den Fall
einer Belagerung ganz besondere Dinge aufgetragen hat.« Der Stolz in Conrads
Stimme war nicht zu überhören.
»Unser Glück!«, meinte Eberhard. »Und wo liegt er?«
Conrad kratzte sich am Kopf, überlegte und verzog dann den Mund.
»Bis wir dort sind, dauert es etwa eine halbe Stunde, dann nochmal ungefähr
fünfzehn bis zwanzig Minuten, um hindurch zu schlüpfen.«
»Es wird aber gleich dunkel!«, gab Eberhard zu bedenken.
Marcel und Leon holten ihre Taschenlampen hervor. »Wie wäre es
damit?«, bot Leon an.
Eberhard starrte auf die Lampe. »Was ist das?«, fragte er.
»Eine Taschenlampe«, erklärte Leon und schaltete sie ein.
Eberhard erschrak. Für ihn war es ein Teufelsgerät, aus dem plötzlich
ein heller Lichtstrahl kam.
»Folgt mir!«, fuhr Conrad dazwischen. »Wir haben jetzt keine Zeit
für lange Erklärungen, wir müssen uns beeilen!«
Nachdem sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, war die
Dunkelheit bereits fortgeschritten. Sie konnten kaum noch etwas sehen. Marcel
schaltete seine Taschenlampe ein und reichte sie Conrad, worauf Leon seine Lampe
Eberhard gab.
Sie gingen weiter. Conrad vorne, gefolgt von Marcel und Leon, ganz
am Ende Eberhard.
Sie befanden sich mitten im Wald, abseits des Weges, den sie zuvor
an einer bestimmten Stelle verlassen hatten. Nun mussten sie noch etwa
vierhundert Meter durch die dicht stehenden Bäume hindurch und Conrad hoffte,
dass sie in der Dunkelheit nicht die Orientierung verlieren würden. Die Bäume
standen so dicht beieinander, dass sie einige Male Zweige abbrechen mussten, um
weitergehen zu können. Der Mond spendete nicht sonderlich viel Licht und ließ
den Wald unheimlich erscheinen. Leon blickte nach oben in die Baumspitzen, die
sich schwach gegen den leicht erhellten Nachthimmel abhoben. Der laue Wind
bewegte sie sanft hin und her und es sah aus, als würden sie ihm zuwinken.
Das Geräusch neben ihnen kam so plötzlich, dass Leon fast zu Tode
erschrak. Dass es ein aufgescheuchtes Reh war, sah er erst, als Eberhard es mit
der Taschenlampe anstrahlte. Der Lichtschein der Lampe blendete das Reh, sodass
es regungslos und verängstigt stehenblieb. »Ist das
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