Siebenpfahl (German Edition)
eine magische Rehfanglampe?«,
fragte Eberhard verdutzt, worauf Marcel und Leon zu kichern begannen. »Nein, du
blendest es, sodass es nichts mehr sehen kann«, antwortete Leon belustigt.
Als Eberhard die Lampe nach oben hielt und in den Lichtschein
blickte, lief das Reh davon, und er verstand nun, was Leon gemeint hatte. »Oh
ja, es blendet, als schaue man in die Sonne.«
Sie waren am Tunnel angekommen. Conrad drückte einen Busch zur
Seite und begann, mit der Hand den Sand auf die Seite zu schaufeln. Dann
klopfte er mit der Faust auf den Boden, worauf ein hohles Geräusch zu hören
war. »Den Holzdeckel müssen wir auf die Seite schieben«, erklärte er, worauf
Marcel ihn ergriff und zurückzog.
Eberhard leuchtete in das Loch, während die anderen skeptisch hineinblickten.
»Man kann auf den Knien durchkrabbeln, doch leider geht es permanent bergauf«, erklärte
Conrad und fügte schmunzelnd hinzu: »Eine Ratte kann uns natürlich auch mal
begegnen!« Er konnte sich die Wirkung seiner Worte bildlich vorstellen, denn Eberhard
ekelte sich vor Ratten und verzog nun bestimmt angewidert das Gesicht.
Doch Marcel und Leon ging es ebenso.
Nacheinander krochen sie in den Tunnel. Eberhard zog den
Holzdeckel von innen über den Eingang und sie begannen mit dem Aufstieg. Nach
einer Weile hielt Conrad an. Er leuchtete den Tunnel hinauf, konnte aber dessen
Ende nicht erkennen. »Das kann ja heiter werden!«, brachte Marcel sein
Unbehagen zum Ausdruck.
Der Tunnel hatte einen Durchmesser von etwa einem Meter und
zwanzig. Die Wände waren felsig, stellenweise lehmig. Die Decke bestand aus Steinplatten.
Es roch muffig und die hohe Luftfeuchtigkeit war deutlich zu spüren. Der Boden
selbst bestand aus Lehm, auf dem sich eine etwa fünf bis sechs Zentimeter dicke
Sandschicht befand. Diesen Untergrund hatte man in den Tunnel eingebaut, sodass
sich die Leute, die ihn durchquerten, nicht die Hände und Knie auf dem felsigen
Boden aufscheuern würden. Im Lichtschein tauchte plötzlich eine Ratte auf.
Einen kurzen Moment blickte sie zu ihnen herunter, dann drehte sie ab und huschte
davon. »Glück gehabt!«, zeigte sich Eberhard erleichtert und wischte sich den
Schweiß von der Stirn, doch Conrad legte nach. »Die holt nur ihre Freunde, dann
werden wir unser blaues Wunder erleben!« Conrad musste über seine Bemerkung selbst
am lautesten Lachen.
Eberhard schluckte. »Witzig!«, rief er. »Sehr, sehr witzig!«
Etwa fünf Minuten waren sie bereits unterwegs, was ihnen wie eine
Ewigkeit vorkam. »Wie lange noch?«, fragte Eberhard.
»Ein Drittel dürften wir hinter uns haben«, gab Conrad zurück,
worauf Eberhard schnaubte: »Ich kann jetzt schon nicht mehr!«
Marcel war weiter damit beschäftigt, gegen seine Platzangst anzukämpfen.
Er krabbelte direkt hinter Conrad und hoffte, dass sie bald aus diesem engen
Tunnel herauskommen würden. Die Enge war für ihn noch nicht einmal das
Schlimmste an der ganzen Sache, sondern die Gewissheit, dass die Ausgänge nicht
schnell genug erreichbar waren. Als nun auch noch die Taschenlampe von Conrad
schwächer wurde und so gut wie kein Licht mehr gab, überkam ihn ein leichter
Anflug von Panik.
»Wieso geht das Licht weg?«, fragte Conrad und hörte auf zu
Krabbeln.
»Der Akku der Lampe ist leer«, erklärte Leon. »Gib sie Marcel, der
weiß, wie man ihn wieder auflädt.«
Conrad reichte die Lampe nach hinten zu Marcel, der sie ergriff.
Dann verlosch auch die von Eberhard.
»Laden wir gleich beide!«, schlug Leon vor.
Sie waren nun von tiefster Dunkelheit umgeben. Man konnte hören,
wie Marcel den Drehbügel der Lampe zurückklappte und zu Kurbeln begann. Nach
etwa einer Minute schaltete er das Licht ein und reichte die Lampe wieder nach
vorne zu Conrad.
Nachdem auch die andere Lampe aufgeladen war, setzten sie ihren
Weg fort, wobei ihre Kräfte immer mehr nachließen. Das Krabbeln war anstrengender,
als sie gedacht hatten, doch nach etwa siebzehn Minuten hatten sie es
geschafft. Wenige Meter vor ihnen befand sich der Ausgang. Conrad stieß den
Holzdeckel beiseite und sie schlüpften hinaus.
»Wo sind wir hier?«, fragte Eberhard.
»Im Gewölbe der Ratsstube«, klärte ihn Conrad auf.
Das Gewölbe war nicht groß. Es maß etwa zwei auf drei Meter und
war ungefähr eins achtzig hoch. Die Wände waren mit Felssteinen gemauert und
mit Lehm verfugt, während der Boden aus Felsenkies bestand. Die Luft fühlte
sich feucht an.
Conrad leuchtete mit der Taschenlampe zu einer Treppe hin. Sie
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