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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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empfunden hat und das für ihn trotzdem von einer gewissen Relevanz gewesen ist …
    Ihre Gedanken gerieten ins Stocken, als sie in der Tür zum Gang Dr. Bechstein entdeckte. Die Pathologin trug einen hellen Wollmantel und kam zielstrebig auf Ems Schreibtisch zu.
    »Hier ist der endgültige Bericht zu Sarah Kindle«, verkündete sie anstelle einer Begrüßung. »Ich dachte, ich bring ihn persönlich vorbei und höre gleich mal, wie die Dinge so stehen.«
    »Beschissen«, knurrte Decker.
    »Ich fürchte, es wird immer verworrener«, erklärte Em und berichtete von der Bilddatei, die angeblich ohne dessen Wissen auf Westens Rechner gelandet war.
    »Wahnsinn«, murmelte die Pathologin, als Em geendet hatte. »Und ich bringe Ihnen auch schon wieder nichts als Arbeit.« Sie legte die Mappe mit dem Obduktionsbericht vor Em auf den Schreibtisch. »Tja, da waren’s dann auch schon fünf!«
    Em, die nach dem Aktendeckel gesehen hatte, blickte auf. »Was haben Sie gesagt?«
    Dr. Bechstein lachte. »Nichts für ungut«, sagte sie. »Ich meinte nur, dass Sarah Kindle bereits die fünfte Leiche ist, die wir auf diese Weise …«
    »Nein, Sie haben das anders ausgedrückt.« Em schloss die Augen: »Da waren’s auch schon fünf …«
    »Das ist so eine Redensart.«
    »Ich weiß«, murmelte Em zerstreut.
    »Alles klar?«, fragte Dr. Bechstein besorgt.
    »Au, Scheiße!«, rief Em inbrünstig. »Jetzt weiß ich auch endlich, woran mich diese verdammten Szenarien erinnern!«
    Die Gerichtsmedizinerin tauschte einen Blick mit Zhou. Ich verstehe nur Bahnhof.
    »Das, was Sie da eben zitiert haben, ist keine Redensart, sondernaus dem Kinderlied ›Zehn kleine Negerlein‹. Ich hatte als Kind sogar ein Buch davon. In jeder Strophe kommt eins der Negerlein ums Leben, bis am Ende alle tot sind.«
    Dr. Bechstein starrte sie an. »Sie denken doch nicht im Ernst, das könnte mit unserem Fall zu tun haben?«
    Anstelle einer Antwort blickte sich Em nach Gehling um. »Sven?«
    »Hm?«
    »Kannst du für uns den Text eines Kinderliedes auftreiben? ›Zehn kleine Negerlein‹?«
    Er lachte. »Das kenn ich nur mit Jägermeistern …«
    »Hä?«
    »Ist so ’n Song«, antwortete er. »Von den Toten Hosen. Aber das ist schon eine Weile her.«
    »Ich brauche erst mal das Original!« Em trat hinter ihn und überflog die Suchergebnisse. »Hier, klick das mal an«, sagte sie und wies auf einen Eintrag ganz oben.

    Zehn kleine Negerlein, die schlachteten ein Schwein,
    das eine stach sich selber tot, da waren’s nur noch neun.
    »Mich tritt ’n Pferd!«, rief Decker, der Em gefolgt war. »Deshalb also das Schlachthaus-Szenario bei Tidorf.«
    Sie sah ihn an. »Irre, oder?«

    Neun kleine Negerlein, die gingen auf die Jagd,
    das eine schoss das andre tot, da waren’s nur noch acht.

    Acht kleine Negerlein, die gingen und stahlen Rüben,
    eines schlug der Bauer tot, da waren’s nur noch sieben.
    »Alois Berneck und Lina Wöllner.« Zhou schüttelte fassungslos den Kopf. »Berneck stirbt auf einem Hochsitz durch eine Ladung Schrot. Und Lina Wöllner wird in einer Scheune erschlagen und mit Rübenkraut beträufelt.«
    »Das müssen wir Dr. Koss zeigen«, sagte Em.

    Sieben kleine Negerlein begegnen einer Hex,
    das eine zaubert sie gleich weg, da waren’s nur noch sechs.

    Sechs kleine Negerlein gehn ohne Schuh und Strümpf,
    das eine hat sich totgefrorn, da waren’s nur noch fünf.
    Die naiven Zeilen verschwammen unter Ems Augen zu flimmernden schwarzen Strichen.
    »Und was ist das nächste?«, hörte sie Zhous Stimme hinter sich.
    »Was?«
    »Die nächste Strophe …«
    Em scrollte weiter, während Gehling bereits hektisch auf einem anderen Rechner zugange war.

    Fünf kleine Negerlein, die tranken bayrisch Bier,
    der eine trank, bis dass er barst, da waren’s nur noch vier.
    »Er ist akribisch«, flüsterte Zhou, »das heißt, er wird auch dieses Mal wieder einen Schauplatz wählen, der das Szenario der Strophe aufgreift.«
    Em nickte. »Und was wäre das in dem Fall?«
    »Eine Brauerei, ein Bierkeller, ein Gewölbe. Vielleicht auch ein stillgelegter Stollen oder so was in der Richtung. Eben irgendwas, wo sich Bier herstellen oder lagern lässt.«
    »Ich brauche eine Liste aller infrage kommender Objekte«, rief Em.
    »Welcher Umkreis?«, fragte Decker.
    »Stadtgebiet plus fünfzehn Kilometer«, antwortete sie nach kurzem Zögern.
    Ihr Kollege zog die Brauen hoch. »Dir ist klar, was das bedeutet?«
    »Ja, verdammt.«
    »War ja nur ’ne Frage.«
    »Zum

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