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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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Papier führte. Er mochte sie nicht. Das hatte sie vom ersten Augenblick an gespürt. Mehr noch: Im Grunde seines Herzens hielt Cevik Kubilay sie für genauso skrupellos und durchtrieben wie die meisten anderen Menschen es auch taten. Aber zum Glück spielten persönliche Empfindungen im Denken des versierten Verteidigers nur eine äußerst untergeordnete Rolle. Sarah verzog die Lippen. Es war allgemein bekannt, dass Kubilays Erfolgsquote bei weit über neunzig Prozent lag. Dieser Umstand war einer der Gründe gewesen, warum sie ihn mit ihrer Verteidigung betraut hatte. Und von dem Augenblick an, in dem er sich bereit erklärt hatte, ihre Vertretung zu übernehmen, hatte sie gewusst, dass die Sache gut ausgehen würde.
    Sie blickte an ihm vorbei zum Fenster und genoss die frische Brise, die durch die gekippte Scheibe zu ihnen hereinwehte. Die sogenannte dunkle Jahreszeit war ihr von jeher zuwider gewesen, doch seit der Haft wusste sie jede Form von Frischluft und Freiheit ganz anders zu schätzen. »Wie steht es mit Schadensersatz?«, fragte sie, als Kubilay endlich zu schreiben aufhörte.
    Er legte den Stift zur Seite und bedachte sie mit einem dieser Blicke, die seine Aversion nur schlecht verbargen.
    »Immerhin habe ich einhundertvierunddreißig Tage unschuldig in Haft gesessen.«
    Beim Wort »unschuldig« schossen seine Augenbrauen in die Höhe. Darüber hinaus zeigte er keinerlei Reaktion, als er sagte: »Selbstverständlich steht Ihnen jederzeit die Möglichkeit offen, entsprechende Rechtsmittel einzulegen, wenn Sie der Ansicht sind, dass Ihnen ein Unrecht widerfahren ist …«
    Sie wäre ihm am liebsten an die Gurgel gegangen für die Überheblichkeit, die aus jedem einzelnen seiner Worte quoll. Aber sie hielt sich zurück. Und das, obwohl ihr keineswegs entgangen war, dass er nicht von »wir« gesprochen hatte. Die Botschaft war klar: Er hatte ihre Vertretung übernommen. Er hatte sie aus der Nummer mit der Mordanklage rausgepaukt. Und damit war die Sache für ihn erledigt.
    Sarah blickte in die dunklen, leicht mongolisch anmutenden Augen auf der anderen Seite des Schreibtischs und dachte, dass selbst ein hoher sechsstelliger Betrag Cevik Kubilay nicht vom Gegenteil überzeugen würde. Er war kein Mann, der einen einmal gefassten Entschluss wieder über den Haufen warf. Schon gar nicht für eine Frau, die er insgeheim zutiefst verachtete.
    Und da sie schon immer sehr genau gewusst hatte, wann ein Kampf für sie verloren war, stand sie auf.
    »Tja, dann nochmals vielen Dank und alles Gute«, sagte sie, als Kubilay sie wenig später zum Ausgang brachte.
    Doch selbst das fast schon obligate »Ihnen auch« brachte der Anwalt nicht über die Lippen. Er schloss einfach die Tür hinter ihr.
    »Fahr zur Hölle«, fauchte Sarah, als sie die beiden Treppen ins Erdgeschoss hinunterstürmte. Achtundzwanzig Stufen aus feinstem Carrara-Marmor. Lauter Dinge, auf die sie seit Neuestem achtete …
    Auf der Straße winkte sie sich ein Taxi heran, und sie hatte Glück: Der pakistanische Fahrer, der ihr in anderer Richtungentgegenkam, hatte ganz offenbar nichts Besseres vor. Er hob einen Finger zum Zeichen, dass er ihr Anliegen verstanden hatte, und riss dann in einem tollkühnen Wendemanöver quer über drei Fahrbahnen das Steuer herum. Ein entgegenkommender BMW hupte wütend, als der angejahrte Benz auf Sarahs Höhe in zweiter Reihe zum Stehen kam.
    Die junge Witwe ließ sich auf den Vordersitz fallen und streckte die Beine von sich. Der Wagen roch unangenehm süßlich nach verschiedenen orientalischen Gewürzen und Vanille. Doch das war nicht zu ändern. »Motel One«, sagte sie und erwartete fast schon, dass der Fahrer nachfragte.
    Doch der Mann schien sich auszukennen.
    Sie betrachtete das schmutzige Armaturenbrett, auf dem ein paar kitschige Kunstblumen und diverse dieser Figürchen aus Überraschungseiern klebten. »Darf ich rauchen?«, fragte sie und hielt dem Fahrer ihre Zigarettenschachtel unter die Nase.
    Ein kurzer Seitenblick streifte ihr Gesicht. Dann nickte er. Offenbar hielt er sie nicht für eine Beamtin, die kontrollierte, wie genau er es mit dem Rauchverbot nahm. Sie sah sich nach einem Namensschild oder einer Zulassung um, doch sie wurde nicht fündig.
    Gesetze, dachte sie verächtlich. Was ist das schon! Ein Konsens, den eine Gruppe von Menschen irgendwann einmal getroffen hatte. Nichts weiter.
    Als ihr Handy leise zu surren begann, zuckte sie zusammen. »Ja?«
    »Hallo, mein Schatz«, flüsterte Manuel, ihr

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