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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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vor dieser Karte Post vom Täter erhalten hat«, antwortete Capelli, bevor Zhou Gelegenheit hatte zu reagieren. »Allerdings scheint er diesen ersten Brief leider nicht aufgehoben zu haben.«
    »Kein Wunder«, sagte Makarov. »Wer nimmt so was denn auch ernst?«
    Capelli zuckte die Achseln. »Spätestens nach der zweiten Karte hat Theo Dorn die Sache offenbar sehr ernst genommen«, entgegnete sie. »Sonst wäre er wohl kaum so offensichtlich besorgt gewesen.«
    »Besorgt genug, um regelmäßig die Todesanzeigen zu studieren«, ergänzte Zhou.
    Makarov sah sie an. »Sie denken, Dorn hat nachgeschaut, ob ein Loiserl oder eine Lina gestorben ist?«
    »Davon würde ich ausgehen.«
    »Na, schön.« Der Leiter der Abteilung für Kapitaldelikte blickte an ihr vorbei zur Tür, wo sich Dutzende Beamte drängten. Längst nicht alle von ihnen hatten mit dem Fall zu tun.Doch die Sache schlug Wellen, und die Neugier innerhalb der Abteilung war groß. »Ihrem toten Uhrmacher sind die Karten dieses Unbekannten also unheimlich. Und er wartet darauf, dass er weitere Briefe erhält …«
    »Aber er handelt nicht«, spann Capelli den Faden weiter. »Also sucht sich der Täter einen neuen Adressaten.«
    Makarov stemmte seine rundliche Faust auf die Armlehne seines Stuhls. »Warum Christina Höffgen?«
    »Das fragt sich Frau Höffgen auch.«
    »Haben Sie eine Erklärung?«
    »Nein. Noch nicht.« Capelli schob ihre Kaffeetasse von sich und lehnte sich zurück. »Falls sie die Wahrheit sagt, haben Dorn und sie einander nicht gekannt.«
    »Aber der Täter kennt beide«, bemerkte einer der Zuhörer trocken.
    »Ja«, nickte Capelli, ohne den Kopf zu drehen. »Offenbar.«
    »Aber gesetzt den Fall, Sie hätten recht und Theo Dorn hat wirklich nur drei Karten erhalten«, Makarov machte eine nachdenkliche Pause. »Warum bezeichnet der Täter Jenny Dickinson dann als Nummer sibn ?«
    Em warf ihren Kugelschreiber auf den Tisch. »Verdammt gute Frage.«
    »Vielleicht hat er sich ja vorher schon an jemand anderen gewandt«, entschloss sich Zhou spontan, einen Vorschlag zu wagen. »Drei Karten für eine bislang unbekannte Person. Und anschließend drei für Theo Dorn. Macht sechs. Plus eine für Christina Höffgen …«
    Ihre Rede wurde von einem vielstimmigen Raunen begleitet.
    »Sie glauben allen Ernstes, dass wir drei weitere Leichen zu erwarten haben?«, fragte Makarov, nur mühsam beherrscht.
    Zhou verzog keine Miene, obwohl sie innerlich zitterte. »Vier, wenn ich richtig gerechnet habe …«
    »Scheiße, ja. Von mir aus auch vier.« Makarov grub seine Finger tief in seine fleischige Stirn. »Sind die beiden anderen Opfer schon identifiziert?«
    Gehling, der am Ende des Tisches über seinem Laptop brütete, begann eifrig zu nicken. »Das war übrigens auch nicht allzu schwer, weil in beiden Fällen Vermisstenmeldungen vorlagen.«
    Makarov schielte nach seinem iPhone. Auf dem Display flimmerte die körnige Aufnahme jenes Hochsitzes, auf dem man die männliche der beiden Leichen gefunden hatte. »Okay, dann lassen Sie mal sehen!«
    Gehling tippte einen Befehl in die Tastatur seines Laptops, und der Beamer warf verschiedene Fotos an die Wand. Die Porträtaufnahme einer typischen Society-Lady, blond, ein wenig unnahbar, aber charakterstark und zumindest auf den ersten Blick auch ziemlich unerschrocken. Das nächste Foto zeigte dieselbe Frau hoch zu Ross. Dann folgte der Schnappschuss eines kantigen Mannes um die fünfzig an Deck eines Binnenschiffs. Im Hintergrund erhoben sich Weinberge in den strahlend blauen Himmel. Bei den letzten beiden Fotos handelte es sich um die typischen biometrischen Aufnahmen, wie sie seit einiger Zeit für Pässe und andere offizielle Dokumente vorgeschrieben waren. Vermutlich stammten sie aus den Ausweisen der Ermordeten.
    »Alois Berneck und Lina Wöllner«, erläuterte Gehling, während die Passfotos an der Wand erstarrten. »Er war zweiundfünfzig, sie gerade mal dreißig.«
    Zhous Blick suchte wieder das attraktive Frauengesicht. Ebenmäßige Züge, große graublaue Augen unter sorgfältig gezupften Brauen und Lippen, die nahezu perfekt geformt waren, ohne dass man den Eindruck hatte, dass der Natur künstlich auf die Sprünge geholfen worden war. Nicht einmal durch Lippenstift. Und doch war da etwas in Lina Wöllners Gesicht, das Zhou auf Anhieb störte. Sie überlegte eine Weile, bis ihr auffiel, dass es der Ausdruck war, der nicht stimmte. Da war eine Abgebrühtheit, die im wahrsten Sinne des Wortes nicht ins

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