Siebenschön
deutlich respektvoller umgeht.«
»Nicht mit Theo Dorn«, bemerkte Capelli. »Den schreibt er mal so, mal so.«
Koss schüttelte den Kopf. »Schon, aber das tut er keineswegs willkürlich.« Er tippte auf die Kopien. »Er schreibt das Wort Theo erst dann klein, als klar ist, dass Dorn seine Erwartungen nicht erfüllt hat.«
»Sie meinen, die Kleinschreibung ist eine Drohung?«, fragte Capelli überrascht.
Der Polizeipsychologe nickte. »Ja. Eindeutig. Eine Drohung, die er, ganz nebenbei bemerkt, auch wahr gemacht hat.«
»Was halten Sie von diesen jiddischen Begriffen?«, fragte Makarov.
»Schwierig«, antwortete Koss.
Doch mit dieser wenig erhellenden Auskunft gab sich Makarov erwartungsgemäß nicht zufrieden. »Denken Sie, der Kerl ist Jude?«, insistierte er.
»Ich denke, dass er ein Angeber ist. Und dass er wusste, dassTheo Dorn Jude war.« Koss lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ihm ist klar, dass die Polizei diese Briefe in die Hände bekommt«, resümierte er. »Mehr noch: Er hat sogar schon viel früher darauf spekuliert, dass wir Notiz von ihm nehmen, und war vermutlich ziemlich enttäuscht, als Theo Dorn seinen Ankündigungen so sträflich wenig Aufmerksamkeit schenkte.«
»Und deshalb hat er sich entschlossen, an die Höffgens zu schreiben?« Makarov sah noch immer nicht überzeugt aus.
»Nicht an die Höffgens«, korrigierte ihn Zhou. »Die Karte war eindeutig nur an Christina adressiert. Und ich glaube kaum, dass dieser Täter irgendetwas aus Zufall tut. Wenn er nur an Christina Höffgen schreibt, dann meint er auch nur Christina Höffgen.«
Koss nickte beifällig, während Capelli aufmerksam taxierte, wie das Alphamännchen Makarov auf die Korrektur seiner neuen Beamtin reagierte.
Doch Makarov dachte gar nicht daran, Zhou vor versammelter Mannschaft einen Rüffel zu erteilen. Im Gegenteil: Er nickte auch.
»Dem Absender dieser Briefe ist wichtig, dass wir ihn für intelligent und belesen halten«, setzte Koss seine Ausführungen fort. »Vielleicht auch für älter, als er in Wirklichkeit ist.« Er legte die Briefkopien auf den Tisch, als könne er sie auf diese Weise abhaken. »Ich kann mich irren, aber es würde mich nicht wundern, wenn es in seiner Vergangenheit einen Vorfall gäbe, der mit seiner Außenwirkung zu tun hat. Das Urteil eines Menschen, das er als falsch empfunden hat und das für ihn trotzdem von einer gewissen Relevanz gewesen ist.« Als er Capellis Ungeduld bemerkte, hielt er inne. »Suchen Sie nach jemandem, dem eine Demütigung widerfahren ist«, schloss er. »Vielleicht wollte er Schauspieler werden und wurde von den Schulen, an denen er sich beworben hat, abgelehnt. Vielleicht hat er das Manuskript seines Buches an verschiedene Verlage geschickt und ausnahmslos Absagen kassiert. Vielleichtdurfte er wegen irgendeines banalen Fehlverhaltens nicht ins Fußballteam.«
»Ich war auch nicht im Fußballteam«, bemerkte Decker trocken.
»Und sieh dich an, was aus dir geworden ist!«, lachte Capelli. Doch dann wurde sie schlagartig wieder ernst. »Und diese Demütigung, von der Sie sprechen …« Sie sah Koss an. »Wie weit liegt die zurück?«
»Schwer zu sagen …«
»Könnte sie bereits in seiner Kindheit passiert sein?«
»Natürlich«, nickte Koss. »Auf jeden Fall fällt sie in eine labile Phase. Kindheit. Pubertät. Ausbildung. Etwas in dieser Richtung.«
»Gut und schön«, knurrte Makarov. »Und mit seinen Taten bezweckt dieser Kerl jetzt … was?«
Dieses Mal kam die Antwort des Polizeipsychologen wie aus der Pistole geschossen: »Meiner Einschätzung nach will er sich messen.«
»Messen? Mit wem?«
»Das«, entgegnete Koss, »ist zweifellos einer der Knackpunkte.« Seine Augen suchten Zhou. »Finden Sie heraus, warum er sich an Theo Dorn gewandt hat. Und warum an Christina Höffgen.«
8
Sarah Kindle verließ das geschmackvoll ausgestattete Bad des Motelzimmers und raffte ihren Morgenmantel in aller Eile über der Brust zusammen. Hatte er sich also doch ganz schön beeilt, der gute Manuel!
Sie setzte ein routiniertes Lächeln auf, doch als sie wenige Sekunden später die Tür öffnete, erlebte sie eine Überraschung,denn der Mann, dem sie sich gegenübersah, war mitnichten Manuel.
»Ja?«
»Sarah Jessica Kindle.« Es war keine Frage. Nur eine Feststellung.
Sarah kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Was wollen Sie?«
Anstelle einer Antwort lächelte er sie an.
Sie war schon drauf und dran, ihm die Tür vor der Nase
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