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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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entgegenwehte.
    Ein klaffendes schwarzes Loch in der vermeintlichen Sicherheit ihres Zuhauses …
    Michael zögerte keine Sekunde. »Raus hier!«, rief er.
    »Nein, warte! Ich …«
    »Nein!«, schrie er sie an. »Komm hier weg! Sofort!«
    Doch sie stand wie angewurzelt da, unfähig, sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu rühren.
    »Christina, verdammt, was …« Er unterbrach sich und folgte ihrem Blick, der starr auf den Couchtisch gerichtet war.
    Dort lag ein edles Kuvert, cremeweiß. Außerdem glaubte Christina, einen leisen Lavendelduft wahrzunehmen.
    »Nicht anfassen«, flüsterte Michael völlig überflüssig.
    Dann schnappte er sich mit einem beherzten Griff das Telefon vom Tisch und zog seine Frau aus dem Raum, während er bereits den Notruf wählte.
11
    Nun, Christina, wie lautet Deine Antwort? Gleiches Grab für alle? Wohlan, so soll es Dir beschieden sein, auch dem potenten Jonas zu einem solchen zu verhelfen. Du findest das Schwein in Sachsenhausen, im Keller des Apartments 6/III. Deutschherrnufer 45. Bon appétit!
    Das gesamte Sachsenhausener Mainufer zwischen Flößer- und Deutschherrnbrücke flirrte vom Blaulicht der Einsatzwagen. Selbst auf den grauschwarzen Wellenkrönchen des Mains glitzerten Abertausende blauer Sprenkel, und die klamme Abendluft war erfüllt vom Knistern und Rauschen des Polizeifunks.
    Em parkte hinter einem Fahrzeug von der Spurensicherung und warf die Autotür zu. Angesichts der mehr als ungemütlichen Temperaturen war sie froh, eine Kopfbedeckung dabeizuhaben und auch sonst vernünftig angezogen zu sein. Ganz im Gegensatz zu Mai Zhou, die nur einen dünnen grauen Wollmantel über ihrem Blazer trug und vermutlich Stein und Bein fror.
    Das Haus, das der Unbekannte Christina Höffgen genannt hatte, gehörte als »Solitär Nummer 5« zu einer Gruppe von zwölf achtstöckigen Punkthäusern, die im Zuge der Umgestaltung des ehemaligen Schlachthofgeländes am südlichen Ufer des Mains erbaut worden waren. Em hatte sich mit den architektonischen Gegebenheiten dieses Teils ihrer Heimatstadt nie so recht anfreunden können – ein ganzer Stadtteil am Reißbrett entworfen, das war kein Lebensraum nach ihrem Geschmack.
    Am gegenüberliegenden Ufer, direkt an der denkmalgeschützten Großmarkthalle, wuchs der Neubau der Europäischen Zentralbank unaufhaltsam in den Himmel, eine überdimensionale, taghell erleuchtete Baustelle der Superlative. Die beiden mittels Streben und Plattformen mehrfach miteinander verbundenen Türme hatten inzwischen schon fast ihre endgültige Höhe erreicht. Erst vor wenigen Wochen hatte man Richtfest gefeiert und bei dieser Gelegenheit beiläufig verkündet, dass der Bau aller Voraussicht nach satte 350 Millionen Euro mehr verschlingen werde als ursprünglich geplant.
    Eines Tages werden wir bezahlen für unseren Größenwahn, dachte Em kopfschüttelnd. Dann drehte sie sich um und blickte an der Fassade von Solitär Nummer 5 hinauf, einem trostlosen weißen Kasten mit unambitionierter Begrünung und außen liegendem Lift, der – zumindest ihrer Meinung nach – den Plattenbauten der ehemaligen DDR in Sachen Charme und Ambiente in nicht viel nachstand. Trotzdem kosteten die Wohnungen und Apartments hier sicherlich ein kleines Vermögen.
    Zhou und sie zeigten ihre Ausweise und nahmen die Treppe in den Keller des Hauses, wo es bereits von Kriminaltechnikernund Spurenanalytikern wimmelte. Zu jedem der zweiunddreißig Apartments des Gebäudes gehörte ein eigenes Kellerabteil. Zweiunddreißig mal zehn Quadratmeter, jeweils verschlossen mit einer schlichten Gittertür.
    Die Tür des Abteils von Apartment 6/III stand offen. Dort wartete bereits der Einsatzleiter auf sie. Ergün Khalaf, ein äußerst erfahrener und besonnener Kollege, den Em seit Jahren kannte und schätzte.
    »Scheiße, Capelli, du machst uns aber ganz schön Dampf!«, knurrte er ihr zur Begrüßung entgegen.
    Em lachte. »So was Ähnliches habe ich heute schon mal gehört …«
    »Von wem?«
    »Von mir«, antwortete Dr. Bechstein, die gerade eingetroffen war und sich hinter Zhou den Gang entlangschlängelte. Noch trug sie dicke Wollhandschuhe anstelle von Latex, doch den typischen weißen Schutzanzug samt Kapuze hatte sie bereits angelegt. Darunter zeichnete sich vage der hellblaue Rollkragenpulli ab.
    »Pass auf, wo du hintrittst«, sagte Khalaf und meinte den nackten Betonboden, auf dem mit Plastikfolien eine Art Korridor gelegt war.
    »Ist das Blut?«, fragte Em und deutete auf die

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