Sieg der Herzen
sich auch bemühte. Sie schämte sich schrecklich, weil sie sich so gehen Heß, aber das Schluchzen kam irgendwo tief aus ihrem Inneren und brach hervor. Es schmerzte sie viel mehr als die Vorstellung, Jack McLaughlin zu verlieren, das war ihr sogar in ihrer fast hysterischen Verfassung klar. Doch dieses Wissen änderte anscheinend nichts.
Er umfasste ihr Kinn mit den Fingerspitzen und veranlasste sie, zu ihm aufzublicken. »Olivia«, sagte er, »was ist los? All diese Tränen können nicht mir gelten.«
Sie schniefte, und ihr Kinn bebte, doch sie hatte noch wenigstens etwas Würde behalten und schaffte es, ihm in die Augen zu sehen. »Natürlich weine ich nicht Ihretwegen.« Sie glaubte zwar nicht an ewige Verdammnis, aber Tante Eloise hatte oft genug von der Unmenge Lügner gesprochen, die in den Feuern der Hölle schmorten, zusammen mit Ketzern, Mördern und Politikern. Es war besser, kein Risiko einzugehen. Deshalb fügte sie hinzu: »Wenigstens nicht viel.«
Er lachte, doch aus dem Ausdruck seiner blauen Augen schloss Olivia, dass ihm ebenfalls zum Heulen zumute war. Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und strich leicht mit seinem schwieligen Daumen über ihre Unterlippe. »Sagen Sie mir, Sie wollen nicht, dass ich wegreite, Olivia. Mehr brauche ich nicht zu hören.«
Sie starrte ihn an. Heiße Schauer durchfuhren sie.
»Nun?«, fragte er, als das lastende Schweigen anhielt.
»Sie würden bleiben? Nur, weil ich Sie darum bitte?«
Er nickte. »Du müsstest mich jedoch heiraten, denn ich kann nicht mehr viel länger unter demselben Dach mit dir schlafen, ohne verrückt zu werden.« Er legte eine Pause ein. »Ich habe seit Jahren Geld gespart, Olivia. Hatte nicht viel Gelegenheit, es auszugeben.« Sein Blick war jetzt auf ihre Lippen gerichtet; er betrachtete sie wie gebannt, und sie wünschte, er würde sie küssen. »Wenn ich hier bliebe, würde ich meinen eigenen Mietstall und eine Schmiede aufbauen.«
Sie begann zu zittern. Er neigte den Kopf, kostete ihren Mund, und sie empfand allerlei, das gleichzeitig in ihr geschah - das Lodern von Feuer, süße Gefühle, köstliches
Prickeln, Sehnsucht. »Und Jacob und June?« Sie stellte die Frage fast flüsternd. »Was ist mit ihnen? Was?«
Jack seufzte. »Ich werde morgen oder übermorgen mit ihnen sprechen. Vielleicht nachdem ihr alle am Sonntag in der Kirche wart.« Er rieb wieder leicht mit seinen Lippen über ihren Mund, berührte ihn nur mit seiner Zungenspitze. »Mit dir zusammen sind die Dinge vielleicht doch nicht so unmöglich zu schaffen. Aber es wird bestimmt nicht leicht werden, Olivia. Nicht für mich, und auch nicht für dich.«
Olivia stöhnte bei dem Versprechen auf einen Kuss unbewusst auf. Sie hatte Leute, die vom Pfad der Tugend abwichen, stets kritisch betrachtet, doch jetzt verstand sie wenigstens den Reiz der Sünde.
»Soll ich bleiben, Olivia?« Seine Stimme klang kehlig und tief; sie wusste, dass er nicht geplant hatte, diese Worte zu sagen, dass all dies irgendwo tief in ihm verschlossen gewesen und jetzt gegen seinen Willen an die Oberfläche gekommen war.
Sie dachte an die langen und einsamen Jahre, die ohne ihn vor ihr liegen würden. Sie sehnte sich danach, Kinder zu gebären und ihnen die Brust zu geben. Kinder von diesem Mann. Die Adoption von Jamie, praktisch unmöglich für eine allein stehende alte Jungfer, würde vermutlich möglich sein, wenn sie einen Ehemann hatte.
Außerdem liebte sie diesen merkwürdigen Fremden. Er war ihr wichtiger als ihr nächster Atemzug, ihr nächster Herzschlag.
»Bleib«, sagte sie schließlich.
Dann küsste er sie. Es war ein langer, tiefer, leidenschaftlicher Kuss, bei dem ihr schwindelig wurde und sie das Gefühl hatte, in die Glückseligkeit davonzuschweben. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich danach, sich im entgegenzuwölben, mit ihm eins zu werden, und sie hielt sich nur mit äußerster Willenskraft zurück.
Als er sich schließlich zurückzog, war sie benommen und sprachlos. Er lächelte auf sie herab. »Du wirst mich also heiraten?«, fragte er. »Auf der Stelle?«
Sie wünschte sich so sehr, Ja zu sagen. Nicht nur für Jamie, sondern für sich selbst. Was sie für diesen Mann empfand, musste Liebe sein, so gewaltig, so völlig allumfassend waren ihre Gefühle. Doch wenn sie ihn zum Ehemann nahm, würde sie einen Schatten heiraten, eine Lüge. Sie wollte, dass zuerst die Dinge mit seiner Identität und seiner Vergangenheit geregelt wurden. »Nachdem du mit den
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