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Sieg der Herzen

Sieg der Herzen

Titel: Sieg der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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dieser Septembernacht im Jahre 1863, wann - und ob - er das Elternhaus jemals wiedersehen, jemals heiraten und jemals wieder an der Seite seines Vaters die Baumwollfelder bearbeiten würde. Würde seine Verantwortung für Wes erfüllt sein, wenn er ihn einfach sicher durch den Krieg brachte? Sicherlich erwartete niemand von ihm, dass er den Rest seines Lebens hinter Wes herlatschte, nur für den Fall, dass er sich ein Knie aufschürfte oder einen Zahn verlor.
    Ein Ellenbogenstoß in die Rippen, der jedoch schmerzlos war, riss Will aus seinen Gedanken. »Hör mit dem Grübeln auf«, johlte Wes, der neben ihm saß und die Beine übereinander geschlagen hatte wie ein Indianer. »Wir haben diese Bastarde jetzt genau dort, wo wir sie haben wollen. Mann, im Sommer wirst du verheiratet und daheim sein und mit Daddy auf der Farm arbeiten.«
    Will versuchte zu lächeln, schaffte es jedoch nicht. In diesen Tagen war er anscheinend stets hin und her gerissen, ob er Wes auslachen oder ihn an der Kehle packen und erwürgen sollte. In diesen Tagen? Hölle, das ging so, seit er sich erinnern konnte, vermutlich von der Wiege an. Vielleicht sogar schon im Mutterleib.
    »Dieser Krieg kann Jahre dauern, Wes. Mit oder ohne dich und mich.«
    Wes' blaue Augen glänzten im Feuerschein, und sein Grinsen war schief und leicht steif. »Da irrst du dich, Bruder. Aber selbst wenn du Recht hättest, gäbe mir das nur mehr Zeit, mir eine Tapferkeitsmedaille für Mama zu verdienen.«
    Will hatte an einem Grashalm gekaut; jetzt warf er ihn angewidert ins Feuer. Er fühlte sich ungefähr 100 Jahre alt. »Weißt du was? Gott muss in der Stimmung gewesen sein, Idioten zu machen, als Er dich plante. Leute werden gekillt, Wes, rings um uns, an jedem einzelnen Tag der Woche. Yankees, Konföderierte, es spielt keine Rolle. Es sind Menschen mit Farmen und Jagdhunden und Verwandten und Frauen und Geliebten. Höllisch viele werden niemals heimkehren. Und wofür?« Er unterdrückte abermals den Drang, Wes an seiner verschmutzten Hemdbrust zu packen und durchzuschütteln. Es zuckte ihm in den Fingern. »Wofür?«
    Wes' Gesicht war erhitzt und gerötet, sogar in dieser eiskalten Nacht, in der das Feuer nur die Hälfte eines Mannes wärmte, die in seine Richtung gewandt war, während die andere Seite fror. »Für die Ehre der Konföderation«, zischte er. »Oder bedeutet dir das nichts mehr?«
    Will konnte sich nicht vorstellen, was Ehre mit all diesem Abschlachten und Zerstören zu tun hatte, aber er war zu erschöpft, um zu versuchen, dies seinem Bruder begreiflich zu machen. Er brauchte seine Kraft allein schon, um den verdammten Narren davon abzuhalten, dass er an der Spitze der Armee in die Schlacht rannte, um zum Helden zu werden. »Wenn es etwas Lobenswertes bei alldem gibt«, sagte er, »kann ich es nicht sehen. Ich nehme an, du kannst es sehen, und das ist deine Sache. Verlang also nicht von mir, dass ich deine Meinung teile.«
    Wes grinste und legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter. »Wir werden den Lookout Mountain einnehmen und halten. Wart s nur ab. Das wird mir mit Sicherheit eine Medaille einbringen und vielleicht auch dir.«
    Lookout Mountain. Will blickte zu dem Umriss des Berggipfels, der vor dem Nachthimmel aufragte und von Mondschein umgeben war. »Dies ist kein Jahrmarkt, Wes«, sagte er, obwohl er wusste, dass er damit nur seinen Atem verschwendete. Ihm kam jene allzu vertraute Passage der Bibel in den Sinn, an die er oft denken musste, seit all dies begonnen hatte: »Nation wird sich gegen Nation erheben, Bruder gegen Bruder ...«
    Ein eisiger Schauer kroch über seine Wirbelsäule. Gott, wenn er nur in seinem alten Zimmer daheim aufwachen würde, mit Wes im Bett gegenüber von seinem, mit Ma, die in der Küche sang, und mit Pa, der mit dröhnender Stimme predigte. Nichts davon würde natürlich geschehen. Dies war ein Albtraum, ja, aber er war leider real.
    »Dort drüben läuft ein Faro-Spiel«, vertraute Wes ihm mit glänzenden Augen an. Eines musste man ihm lassen: Er genoss fast jeden Moment, den er erlebte, sogar mitten in diesem gottverdammten Krieg. »Wir sollten mitspielen. Ein Paar Stiefel gewinnen. Du könntest sie gebrauchen.«
    Das stimmt leider, dachte Will mit einem Blick auf seine Füße. Die Sohlen seiner Stiefel waren so locker, dass er pro Tag ein Dutzend Mal damit stolperte, und wenn der Winter kam, konnte er sich glücklich preisen, wenn ihm nicht die Hälfte der Zehen erfror. Wes hatte seit Beginn der

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