Sieg der Leidenschaft
blutjungen Mannes spritzte Blut. Tia befolgte schnell die Anweisungen des Doktors und presste ihre Hand mit ganzer Kraft auf die Wunde, als er die Zange anlegte.
»Hierher!« Atemlos rannte sie zu Julian zurück. Wieder einmal wurden ihre zierlichen Finger gebraucht. »Drück ganz fest auf das Blutgefäß, mindestens eine halbe Minute lang.«
Plötzlich begann der Verletzte zu singen. Das Lied >Dixie<. Warum ihr die Melodie den Magen umdrehte, wusste sie nicht.
»Lass jetzt langsam los ...«, befahl Julian. »Sehr gut. Kannst du die Wunde nähen, Tia?«
»Ja, sicher.«
Der nächste Patient war total mit Schlamm bedeckt. Direkt vor ihm hatte sich eine explodierende Kanonenkugel ins Erdreich gegraben. Hastig zerschnitt Tia seine Kleidung, während die Sanitäter Baumwolllappen in kaltem Wasser einweichten. Dann wuschen sie den Mann und bestrichen die gefährlichen Brandwunden mit schmerzstillenden Salben. Aufmunternd sprach sie auf den jungen Mann ein. Ein Sanitäter hielt ihm einen kleinen Segeltuchbeutel mit Morphium unter Mund und Nase. »Alles wird gut, Soldat, halten Sie durch -bitte.«
»Miss Tia!«
Erst jetzt erkannte sie das verzerrte, von Schlamm verkrustete Gesicht. »Gilly, guter Gott...«
»Ich sterbe, Miss Tia.«
»Unsinn, das erlaube ich Ihnen nicht, verstanden?«
Gequält schloss er die Augen und versuchte zu lächeln. »Mein Fuß ...«
Der Fuß war zur Hälfte weggerissen worden. An diesem Tag hatte Tia schon viel gesehen. Aber beim Anblick des blutigen Stumpfs musste sie sich fast übergeben. »Julian wird den Fuß amputieren. Und danach gehen Sie auf Krücken. Aber Sie werden leben, hören Sie?«
Bis jetzt hatte er heftig gezuckt. Und jetzt rührte er sich nicht mehr. Bestürzt biss Tia in ihre Unterlippe. War er gestorben?
Draußen explodierten wieder die Geschütze und Tia schloss sekundenlang die Augen. Liam, ein tüchtiger Assistent ihres Bruders, lief zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Er lebt, er hat nur die Besinnung verloren.«
»Sein Fuß ...«
»Gleich wird Ihr Bruder ihn behandeln.«
Noch mehr Amputationen. Julian hasste es, die Rolle eines Schlachters zu übernehmen. Jetzt war der Tag nicht mehr schön - von wirbelnden Erdklumpen, schwarzem Pulver und dem schrillen Gewieher sterbender Pferde erfüllt und vom Gebrüll totgeweihter Soldaten.
Ein Reiter sprengte zum Lazarett und stieß einen gellenden Rebellenruf hervor. »Gentlemen, wir erringen den Sieg! Die Artillerie der Konföderation hat das Zentrum der Yankee-Linie durchlöchert. Jetzt rücken die
Rebellen immer weiter vor und werfen die Feinde zurück!«
Über Gillys regloser Gestalt trafen sich Julians und Tias Blicke. Die Begeisterung, die sich im ganzen Lazarett ausbreitete, konnten sie nicht teilen. Wenn sie die Schlacht gewannen - warum mussten sie dann einen Mann nach dem anderen zusammenflicken? Und warum verloren sie so viele?
Nachdem Julian den Fuß des jungen Mannes verarztet hatte, erklärte er Tia, wahrscheinlich würde Gilly am Leben bleiben. »Aber wie du weißt, sind die Infektionen oft gefährlicher als die Wunden.«
»Deine Patienten sterben nur sehr selten an einer Infektion.«
»Weil ich bei jeder Wunde einen sauberen Schwamm benutze«, entgegnete er wehmütig. »Heute - geht der Vorrat zur Neige.«
Nicht nur an Schwämmen bestand Mangel. Nachmittags führten die Sanitäter einen Soldaten mit einem gebrochenen Arm ins Lazarett und er erzählte, auf beiden Seiten würde es kaum noch Munition geben. Ein Unionssoldat hatte ihm den Arm mit einem Bajonett zerbrochen und ein Freund war herbeigeeilt, um ihm das Leben zu retten und den Schädel des Yankees mit einem Schwertstreich zu zertrümmern.
Während Tia diesen Berichten lauschte, fühlte sie sich immer elender. Sanitäter wurden vom Lazarett abgezogen, halfen als Offiziere aus, und alle verfügbaren Männer ritten zwischen der Front und einem Eisenbahnwaggon mit Vorräten hin und her, um den Kämpfern Patronen in Hüten, Hosentaschen , Brotbeuteln und sogar in den Unterröcken einiger Frauen zu liefern. So konnten die Rebellen ihre Stellung halten.
Vor Einbruch der Dunkelheit trafen die ersten verwundeten Feinde in Julians Lazarett ein. Die Yankees waren bei ihrem Rückzug gezwungen gewesen, ihre Verletzten zurückzulassen.
»Wir haben gesiegt! Wir haben gesiegt!« Durch das ganze Kriegslager hallte der Ruf. »Florida gehört uns! Niemals werden die Yankees unseren Staat einnehmen!« Trompeten erklangen, Böllerschüsse wurden
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