Sieg der Leidenschaft
auf diese Arbeit, Tia? Das schickt sich nicht für eine junge Dame.«
Zufällig hörte die Gastgeberin diese Worte und mischte sich ein. »Da hat der Colonel ganz Recht, meine Liebe.« Amelia Roper, eine vollbusige, selbstgefällige Frau, klopfte energisch auf Tias Arm. »So etwas ist höchst unschicklich. Was Sie tun, sollten Sie besser den Sanitätern und Leichtverletzten überlassen. In Washington arbeiten die Rekonvaleszenten in den Lazaretten und die Amputierten geben brauchbare Krankenpfleger ab.«
»In Florida wird es regelmäßig viel zu wenig Pflegepersonal geben«, erwiderte Tia. »Wie Sie wissen, werden unsere Männer dauernd abgezogen, um in anderen Südstaaten zu dienen. Sogar Julian, der sich seinen Landsleuten besonders verpflichtet fühlt, ist letztes Jahr nach Norden beordert worden. Also muss ich mich weiterhin nützlich machen.«
»Wofür kämpfen unsere Männer eigentlich, wenn nicht für die Ehre der Südstaaten - und die Ehre der Südstaatlerinnen?«, fragte Amelia ärgerlich.
»Nun, sie kämpfen für uns alle«, antwortete Tia, verblüfft über den verbalen Angriff. »Und ich bin gern bereit, unseren Soldaten beizustehen.«
»Wenn du endlich bereit wärst, mich zu heiraten, würde ich dich von all dem Grauen fern halten, Tia«, betonte Raymond. »Von Blut und Wunden und Tod ...«
»Wie oft soll ich dir das noch erklären, Ray? Für mich ist diese Arbeit eine Verpflichtung. Meine Eltern und Brüder wissen, was ich tue, und sie sind stolz auf mein Engagement.«
»Sogar Ihr Vater und Ihr ältester Bruder, meine Liebe?«, fragte Mrs. Roper bissig. »Vielleicht wären die beiden glücklicher, wenn Sie Ihre Tätigkeit aufgeben würden und etwas mehr Rebellen sterben ließen!«
»Niemals würde ich einem Menschen den Tod wünschen - ganz egal, welche Uniform er trägt.«
»Nun ja, jedenfalls ist die Situation in Florida ziemlich schlimm. Ihr Vater und Ihr Bruder sind nicht die einzigen Verräter in unserer Mitte.«
»In unserem Staat haben sehr viele Leute gegen die Sezession protestiert, Mrs. Roper«, erinnerte Tia die Gastgeberin.
»Oh, das weiß ich! Und einige unserer brillantesten Militärs weigern sich nach wie vor, ihren Irrtum zu erkennen.« Seufzend schüttelte sie den Kopf und wandte sich zu Raymond. »Mein Mann, ein ausgezeichneter Stratege, hat die Schlacht von Olustee sorgfältig studiert. Wissen Sie, wer zu den ersten Kavallerieoffizieren zählte, die auf Seiten der Yankees den Angriff führten? Taylor Douglas! Mein Gott, wie gut ich mich an den Mann erinnere! Früher war er sehr oft zu Gast in diesem Haus. Und jetzt ist er ein Verräter, ein Dorn in unserem Auge.«
Mühsam versuchte Tia, ihr brennendes Interesse zu verbergen. Aber sie wollte möglichst viele Informationen über Taylor sammeln. »Kurz vor Weihnachten habe ich Colonel Douglas kennen gelernt, Mrs. Roper. Er ist mit meinem Onkel verwandt, dem Bruder meines Vaters. Dass er bei Olustee kämpfte, wusste ich gar nicht.«
»Mitten auf dem Schlachtfeld, meine Liebe. Schon bei den ersten Scharmützeln kommandierte er eine Einheit und er kämpfte bis zum letzten Augenblick. Ein Wunder, dass er nicht gefallen ist.«
Gott sei Dank - beinahe hätte sie die Worte laut ausgesprochen. Doch sie spürte Raymonds forschenden Blick. »Also wurde er nicht verwundet?«
»Weder von unseren Soldaten - noch von seinen eigenen!« Mrs. Roper lächelte verächtlich. »Wie ich höre, haben die Yankees mindestens so viele Kameraden umgebracht wie Rebellen. Erstaunlich, was in diesem Krieg alles passiert ... Haben Sie schon von der neuen Heldin gehört, der unsere Soldaten zujubeln? Eine Frau reitet splitternackt durch die Wälder, um Yankees in die Irre zu führen. Lady Godiva - so wird die kleine Hure genannt! Wie kann man nur so unanständig sein?«
»Ist es nicht viel unanständiger, dass junge Männer getötet oder verstümmelt werden?«, stieß Tia hervor. »Wenn unschuldige Menschen in tiefste Verzweiflung versinken und alle Zukunftsträume begraben müssen?«
»Am schlimmsten ist es, die Ehre zu verlieren! Was ist ein Leben ohne Ehre, ohne gesellschaftliche Regeln? Wofür kämpfen unsere Männer, wenn nicht für die Tugend ihrer Frauen?« Temperamentvoll schwenkte Amelia Roper ihr Lorgnon durch die Luft. »Das dürfen Sie nicht vergessen, junge Dame!«
»Vielleicht kann man seine Ehre bewahren - und trotzdem Mitleid empfinden«, gab Tia zu bedenken. Aber die Gastgeberin würdigte sie keiner Antwort mehr und kehrte ihr den
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