Sieg der Leidenschaft
abgefeuert.
»Vielleicht wurde eine Schlacht gewonnen«, seufzte Julian. »Aber unser Kampf fängt erst an.«
Die Rebellen drängten die Unionsstreitkräfte immer weiter zurück. Als die Waffen ruhten, war es. an der Zeit, das Schlachtfeld abzusuchen. Während Julian im Lazarett blieb, ritt Tia mit den Sanitätern durch die Abenddämmerung, um zwischen den Leichen Lebende aufzuspüren. Liam blieb an ihrer Seite. In den letzten Monaten hatte er gelernt, mit einem Bein im Sattel zu sitzen, und nun befehligte er die Sanitäter, die Verwundete auf ihre Bahren legten und zum Lazarett brachten.
Immer wieder stiegen Tia und Liam ab, um Verletzte genauer zu untersuchen.
»Da sind vor allem Yankees«, bemerkte Liam.
»Ja. O Liam, ich habe solche Angst. Wer weiß, wen ich finden werde ...«
»Sicher nicht Ihren Bruder Ian«, erwiderte er sanft. »Nach Weihnachten wurde er nach Virginia beordert.«
»Wieso wissen Sie das?«
»Das hat uns ein Kavallerist erzählt, der Julian kennt.«
Plötzlich entdeckte sie einen Kavallerieoffizier, der am Boden lag, das Gesicht nach unten. Er trug eine Navy-Uniform, das Haar pechschwarz, glatt und lang ... »O Gott!« Entsetzt kniete sie an seiner Seite nieder.
»Tia, ich sagte doch - Ian ist nicht hier!«
Ja - aber Taylor Douglas ... Vorsichtig drehte sie den Mann herum. Er stöhnte - er lebte. In seiner Schulter steckte eine Kugel. »Wir müssen ihn ins Lazarett bringen!«, rief sie Liam zu und er winkte zwei Sanitäter heran, die den Verletzten auf eine Bahre hoben.
Tia ritt weiter. Erst im Morgengrauen fand sie ein wenig Schlaf. Das Stöhnen der Verwundeten verfolgte sie bis in ihre Träume und sie glaubte, sie würde es bis zu ihrem letzten Atemzug hören.
Während der nächsten sechs Tage trieben die Rebellen die Unionstruppen immer weiter zurück, bis auf zwölf Meilen an Jacksonville heran. Für die Nordstaaten war die Schlacht eine Katastrophe. Doch der Sieg von Olustee Station vermochte die Stimmung der Südstaaten nicht aufzuheitern.
Im Frühling 1864 gingen die Vorräte zur Neige. Fast überall wurden Schlachten geschlagen - und verloren. Und die Union gewann zusehends an Boden. Die Generäle des Nordens wandten eine neue Strategie an, um den Feind in die Knie zu zwingen - die Politik der >verbrannten Erde<. Wohin immer die Yankee-Truppen zogen, blieb für die überlebenden Zivilisten nichts übrig.
Kurz nach der Schlacht von Olustee wurde Julians Lazarett in ein altes Haus in Lake City verlagert. Einige Stadtbewohnerinnen kamen Tia zur Hilfe, lasen den Verwundeten vor, brachten Lebensmittel, die sie entbehren konnten, und schrieben Briefe an die Angehörigen der Soldaten.
Eine Woche nach dem denkwürdigen Sieg der Rebellen wurden Tia und Julian zum Dinner ins Haus des 70-jährigen Generals Victor Roper eingeladen, der am Mexikanischen Krieg teilgenommen hatte und leidenschaftlich für die Sezession eintrat. Zu der Party erschienen mehrere Offiziere von der Miliz und der regulären Army, die in der Nachbarschaft stationiert war, außerdem einige Stadtbewohner mit ihren Frauen und Töchtern.
Zunächst hatte Tia erklärt, sie sei zu müde für die Party. Aber Julian hatte sie umgestimmt.
In General Ropers Salon stand sie dann plötzlich
Raymond Weir gegenüber. Er hatte mit seiner Miliz an der Schlacht von Olustee teilgenommen.
Obwohl Tia ihm auszuweichen suchte, folgte er ihr beharrlich, bis sie ihm endlich zuhörte. Wortreich entschuldigte er sich für den Kummer, den er ihr zu Weihnachten auf Cimarron bereitet hatte. Und wenn er auch nicht erwähnte, dass er ihren Vater bedroht und Taylor Douglas herausgefordert hatte - seine Stimme klang so verzweifelt, dass sie ihm schließlich widerwillig verzieh.
Nach dem Dinner spielten Musiker vom Second Corps of Engineers. Zuerst tanzte Tia mit ihrem Bruder, dann mit anderen Offizieren - und Ray. Wieder einmal schmeichelte ihr seine Bewunderung. Doch sie blieb bei ihrem Entschluss, keine feste Bindung einzugehen, solange der Krieg andauerte.
»Heirate mich, Tia!«, drängte er.
»Glaubst du, mein Vater würde mir das erlauben?«, fragte sie unschuldig.
»Du bist volljährig. Also brauchst du seine Einwilligung nicht.«
»Aber seine Liebe.«
»Wenn er wüsste, was ich für dich empfinde, würde er unserer Hochzeit zustimmen.«
»Vor dem Ende des Kriegs kann ich dich unmöglich heiraten - ich habe zu tun.«
Sie blieben vor dem Buffet stehen und Raymond füllte zwei Gläser mit Punsch. »Warum verzichtest du nicht
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