Sieg der Leidenschaft
Rücken. Seufzend zuckte Raymond die Achseln.
»Da siehst du, Tia - nicht alle Leute wissen deine Aktivitäten zu schätzen.«
Sekundenlang stockte ihr Atem. Welche ihrer Aktivitäten meinte er? Wusste er über Godiva Bescheid?
Nein, Godiva war nur eine Legende - mehr nicht. »Glücklicherweise lege ich nur auf die Ansichten meiner Familie Wert. Und wie ich bereits sagte, meine Eltern und Ian sind stolz auf meine Arbeit in Julians Lazarett.«
»O Tia!« Beschwörend ergriff Ray ihre Hände. »Ich weiß, was du für mich empfindest - das spüre ich, wenn ich dich berühre, und ich lese es in deinen Augen. Könnte ich dir doch klar machen, dass es völlig verkehrt ist, was du tust. Mrs. Roper hat Recht - deine Arbeit eignet sich nicht für eine junge Dame. Viele Gentlemen würden sich weigern, dich zu heiraten. Und du solltest endlich begreifen ...« Plötzlich klang seine Stimme gepresst. »Dein Vater vertritt einen falschen Standpunkt.«
Verwirrt entzog sie ihm ihre Hände und wusste nicht mehr, welche Gefühle er in ihr weckte. Vor dem Krieg hatte sie ihn liebenswert gefunden und war sogar versucht gewesen, einer Verlobung zuzustimmen. Jetzt mochte sie ihn immer noch, aber mit einer gewissen Zurückhaltung. Es fiel ihr schwer, ihn zu verletzen -was er ihr allerdings mit gewissen Äußerungen erleichterte. »Wenn du meinen Vater für einen Narren und mich für unanständig hältst, warum willst du mich dann heiraten?«
»Weil ich dich liebe. Außerdem«, gab er widerstrebend zu, »gibt es auch andere ehrbare Frauen, die in Lazaretten arbeiten. Aber nur wenige nehmen eine so ausgezeichnete gesellschaftliche Position ein wie du.«
»Mein Vater hat mich gelehrt, die Ansichten und das Verhalten von Männern und Frauen zu respektieren -nicht ihre Herkunft oder ihren Reichtum. Vielleicht, weil er von einer Seminolin erzogen wurde, der Mutter meines Onkels.« Mit sanfter Stimme täuschte sie Raymond über ihre Empörung hinweg.
»Nun, dein Onkel hat den Makel seiner Geburt überwunden ...«
»Mein Onkel ist stolz auf seine Abstammung.«
»Tia, inzwischen sind die Seminolenkriege beendet und ich möchte sie jetzt und hier nicht erneut mit dir ausfechten. Im Augenblick gibt es andere Probleme ...«
»Überleg doch! Wenn du mich heiratest, wärst du mit Rothäuten verschwägert!«
»Dir zuliebe würde ich sehr viel ertragen.«
»Ertragen ...«, wiederholte sie gedehnt.
»Sicher erwiderst du meine Gefühle. Du musst nicht als alte Jungfer sterben. Vielleicht ist es nicht ganz -korrekt, womit du dich beschäftigst. Aber wenigstens bist du keine Hure, wie diese - diese Godiva. Angeblich treibt sie sich überall herum und lockt die Yankees dutzendweise ins Verderben.«
Was für eine blühende Übertreibung, dachte Tia. Am liebsten hätte sie Ray geohrfeigt. Doch dann verflog ihr Zorn. Von Kindesbeinen an waren ihm diese prüden Ansichten eingetrichtert worden. Jetzt konnte er natürlich sein Herz nicht für neue Gedanken öffnen ... »Wenn ich nicht heirate, werde ich mein Leben keineswegs für eine traurige Verschwendung halten. Und ich wünsche mir einen Ehemann, der mich ohne Wenn und
Aber liebt. Natürlich weiß ich es zu schätzen, dass du mich trotz meiner fragwürdigen Aktivitäten zum Traualtar führen würdest. Aber wir sind so oft verschiedener Meinung ...«
»Spielt das eine Rolle zwischen Mann und Frau? Denk darüber nach! Heirate mich.«
»Tut mir Leid, ich muss deinen Antrag ablehnen. Der Krieg spielt eine große Rolle. Verstehst du das nicht?«
»Doch ... Trotzdem werde ich dich bei jeder Begegnung weiter um dein Jawort bitten. Und wenn du mich brauchst, musst du nur zu mir kommen.«
»Vielen Dank ... Entschuldige mich bitte, mein Bruder winkt mir zu.« Tia floh zu Julian - der ihr gar kein Zeichen gegeben hatte. »Stimmt was nicht?«, fragte er.
»Gerade musste ich mir anhören, wie unschicklich ich mich benehme.«
Julian grinste. »O Gott, diese alten Schachteln! Was du tust, ist gut und richtig, Tia. Immerhin rettest du Menschenleben. Lass dir bloß nichts anderes einreden!«
»Danke, Julian.«
»War mir ein Vergnügen. Hast du die gesellschaftlichen Amüsements satt?«
»Für heute Abend - ja.«
»Sehr gut. Ich möchte ein paar Patienten nach St. Augustine bringen, dort können sie sich besser erholen. Hier gibt es zu viele Verwundete - und zu wenig bewundernswerte Frauen und Männer, die sie betreuen.«
»Selbstverständlich begleite ich dich, Julian. Nur zu gern.«
12
Sie sah das
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