Sieg der Liebe
und die einfachen weißen Strümpfe, die er ihr gegeben hatte, über die Wand, dann beugte sie sich vor, verschwand aus Michels Blickfeld, um ihre Unterröcke abzustreifen.
Sie mochte aus seinem Blickfeld verschwunden sein, aber nicht aus seinen Gedanken. Mit beinahe schmerzhafter Deutlichkeit sah er vor seinem geistigen Auge die Rundungen ihrer Hüften, als sie die Röcke ablegte, ihre langen schlanken Beine, als sie den zerknitterten Stoff abschüttelte.
Er begehrte sie seit dem Moment, da er beobachtet hatte, wie sie durch das Fenster in den Garten geklettert war. Doch die verbotenen Früchte erschienen immer am süßesten, und Jerusa Sparhawk, so reizvoll sie sein mochte, war für ihn unerreichbar.
Michel dachte an das letzte Mal, da er seine Mutter gesehen hatte, ehe er in Richtung Norden, nach New England, segelte. Die Pflegerin, die er bezahlte, damit sie sich um sie kümmerte, hatte ihn an der Tür gewarnt, daß es Antoinette nicht gutgehe. Seine Mutter hatte ihre Worte jedoch gehört und sich auf Michel wie ein wildes Tier gestürzt. Ihre Eifersucht und ihr Wahnsinn entzogen sich einmal mehr völlig ihrer Kontrolle.
Es dauerte bis zum Einbruch der Nacht, bis er sie beruhigt hatte. Die besänftigenden Worte, die er mit leiser Stimme zu ihr sagte, waren für ihren so leicht zu erschütternden Seelenfrieden so unentbehrlich geworden wie das Opium, ohne das sie nicht mehr leben konnte. Auch der Doktor war dagewesen, mit verrutschter Perücke und einem Hemd, auf dem noch Soßenflecken von der unterbrochenen Mahlzeit zeugten. Er hatte dagehockt und zugesehen, wie seine Blutegel sich an Antoinettes weißem Unterarm vollsogen.
„Sie müssen die Warnungen beachten, Monsieur Gericault“, flüsterte der Arzt mit unheilverkündender Stimme. „Wenn Ihre Reisen Sie weit fort führen, dann ist sie untröstlich. Ihre Ausbrüche können nicht länger von einer Person allein überwacht werden, und ich fürchte, Monsieur, daß sie anderen genauso wie sich selbst Schaden zufügen wird. Vielleicht könnten Sie die Fürsorge Ihrer Mutter in der Anstalt der Heiligen Schwestern in Erwägung ziehen ... “
„Es würde sie umbringen“, erwiderte Michel leise und strich sanft über die Brauen seiner Mutter, die die Augen mit den schweren Lidern schloß. „Dieser Ort, von dem Sie sprechen, würde sie so gewiß umbringen, als hielten Sie eine Pistole an ihre Stirn und drückten ab.“
„Aber, Monsieur, ich muß Sie bitten ...“
„Nein“, unterbrach Michel ihn scharf und beendete damit abrupt das Gespräch. „Meine Mutter hat mir alles gegeben, was sie hatte, und jetzt, da ich es kann, will ich das gleiche für sie tun.“
Viel später, nachdem der Doktor gegangen und die Pflegerin auf dem Weg zur Apotheke war, um mehr von dem Opiat in der dicken blauen Flasche zu holen, hatte Michel sich neben Antoinette ans Bett gesetzt. Ihr Atem war ruhiger geworden, und ihr verzerrtes Gesicht hatte sich im Schlaf entspannt. Leise erzählte er, was er Gabriel Sparhawk und seinen Söhnen in ihrem Namen antun wollte.
Und irgendwie hatte Antoinettes unbeständiger Geist es fertiggebracht, sich einen Weg durch die umnebelten Sinne zu bahnen, so daß sie Michel zuhören und verstehen konnte. Matt drehte sie ihren Kopf in die Richtung, aus der seine Stimme kam, und ihr Gesicht wirkte durch das Moskitonetz, das um ihr Bett gespannt war, noch gespenstischer.
„Das Mädchen“, stieß sie heiser hervor. „Entführ das Mädchen, das heiraten soll. Bring die jungfräuliche Braut hierher nach Martinique, zu mir.“
Er hatte die Stimme seiner Mutter schon seit Jahren nicht mehr so deutlich gehört. Aber was sie da verlangte - lieber Himmel, was sollte das?
„Was willst du mit ihr anfangen, Maman?“ fragte er sanft. „Es ist der alte Mann, den du vernichten willst, ihn und seine Söhne. Warum willst du dich an einem Mädchen rächen?“
„Du wirst ihr Glück zerstören, genauso wie ihr Vater meines zerstört hat.“ Antoinettes dunkle Augen glänzten, ob tränenfeucht oder erwartungsvoll, konnte Michel nicht sagen. „Was du dem Mann antust, wird um deines Vaters Ehre willen geschehen. Doch das Leid, das du dem Mädchen zufügst, wird meine wiederherstellen.“
Jetzt seufzte Michel und beobachtete mit neuerwachtem Interesse, wie das Mädchen die Arme hob, um einen Zopf zu flechten. Der Schein der Laterne strich über ihre weißen Brüste, genauso, wie er selbst es gern tun würde. Wie sollte er die nächsten Wochen, vielleicht sogar
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