Sieg der Liebe
Monate überstehen, die sie gemeinsam verbringen mußten?
Es war ihm nicht schwergefallen, zuzustimmen, als seine Mutter ihn bat, eine junge Frau zu entführen, die er nur dem Namen nach kannte und an die er sich nur dunkel aus seiner Kindheit erinnerte. Auf sonderbare Weise hatte das ganze Unternehmen sogar einen Sinn, denn konnte es für die Männer der Familie Sparhawk einen besseren Köder geben, als eine ihrer Frauen zu entführen?
Doch Michel hatte nicht bedacht, welchen Eindruck diese Jerusa Sparhawk auf ihn machen würde. Er begehrte sie nicht nur, sondern schlimmer noch, sie tat ihm leid. Und aus langer, bitterer Erfahrung wußte er, daß er sich Mitleid nicht leisten konnte.
Schon gar nicht für die Lieblingstochter von Gabriel Sparhawk.
Jerusa zog das Taillenband des dunklen Rockes fest und strich den groben Wollstoff über ihren Hüften glatt. Wie der Franzose schon gesagt hatte, waren weder der Rock noch das Mieder modisch geschnitten, sondern jene Art solider Kleidung, die die Frau eines wohlhabenden Farmers auf dem Markt tragen würde.
Jerusa dachte daran, wie behutsam ihre Mutter und die Zofe mit der zarten Seide umgegangen waren, als sie ihr beim Ankleiden geholfen hatten. Und mit einemmal traten Jerusa Tränen in die Augen.
Rasch schluckte sie mehrmals hintereinander und zwang sich, nicht zu weinen. Dann griff sie nach hinten, um die Bänder des Mieders an ihrem Rücken zu lockern. Sie verrenkte sich geradezu, bemühte sich, die Enden der Schnüre zu erreichen und stellte fest, daß sie an der untersten Öse verknotet waren. Natürlich hätte die Zofe das tun müssen. Wie hätte sie wissen sollen, daß Jerusa gezwungen sein würde, die Bänder allein zu lösen?
Leise schimpfend bog sie die Arme zurück und versuchte es noch einmal. Wenn es ihr nur gelang, den Daumen unter die Kordel zu schieben, würde sie den Knoten sicher lösen können. Wenn doch nur ...
„Lassen Sie mich Ihnen helfen“, sagte der Franzose plötzlich leise hinter ihr, und ihr stockte der Atem, als er sie an der Schulter festhielt, damit sie stillstand.
„Ich kann das allein“, wehrte sie hastig ab. Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit, als sie versuchte, sich ihm zu entziehen. „Bitte, nur einen Moment noch, dann bin ich fertig.“
„Ich habe gesehen, wie Sie sich abmühten, cherie, und ich weiß, daß Sie es nicht können.“
Sie fühlte, wie sein Messer unter die Schnüre glitt, wie er die Klinge behutsam an ihrem Rücken entlangführte und jede einzelne Verschnürung aufschnitt.
„Mein Fehler, mademoiselle, und ich entschuldige mich dafür“, sagte er spöttisch. „Ich hätte niemals von einer Lady erwarten dürfen, sich ohne ihre Zofe umzukleiden.“
„Ich habe keine Zofe“, erklärte Jerusa steif. „Meine Mutter hat eine, ich nicht. Ich brauche keine.“
Ohne die Bänder glitt das seidene Mieder von ihren Schul-tern, und Jerusa hob rasch die Hände, um ihre Brüste zu bedecken.
„Dieses Korsett brauchen Sie auch nicht.“ So sanft, daß ihr der Atem stockte, strich er mit der Fingerspitze von ihrem bloßen Nacken hinunter bis zu ihrer Taille. „Ich wette, daß Ihre Taille auch ohne das Korsett schmal genug ist. Ich schneide es auch noch auf, wenn Sie es wünschen.“
„Nein!“ Sie fuhr herum und blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, das Mieder an ihre Brüste gepreßt. Das Korsett war ein Panzer aus Fischbein, ihr letzter Schutz vor ihm. „Das heißt, ich danke Ihnen für Ihre Hilfe, aber keine Lady wünscht ... so etwas.“
Sein Lächeln war so vielsagend, daß sie errötete. „Eine Lady wäre auch nicht hier mit mir in diesem Stall.“
Sie unterdrückte eine scharfe Erwiderung. Seine blauen Augen wirkten beinahe schwarz, als er ihrem Blick begegnete, und er verzog die Lippen, spöttisch und sinnlich zugleich.
Sie hatte viel Zeit in der Gesellschaft gutaussehender Männer verbracht. Warum also ließ ein Lächeln und eine unerlaubte Zärtlichkeit von diesem Mann ihr den Atem stocken und sie erröten? Er hatte sie entführt und damit gedroht, sie zu töten, aber diese andere, sehr verwirrende Seite an ihm und ihre eigene sonderbare Reaktion darauf erschreckten sie mehr als alles andere.
Sie schluckte und bemühte sich, ihre Fassung wiederzugewinnen. „Wie Sie schon sagten, keine Lady würde hier mit Ihnen oder irgendeinem anderen Mann allein sein. Aber Sie haben mich hierhergebracht, gegen meinen Willen, und das ändert alles.
„Tatsächlich, ma petite ?“ Er streckte den Arm
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