Sieg der Liebe
Reden!“ befahl der Ältere streng.
„Aber er ist nicht ...“
„Ich sagte Ihnen, Sie sollen den Mund halten, sonst werde ich dafür sorgen, daß Sie es tun!“ Jerusa verstummte, und der Mann schüttelte den Kopf, voller Mitleid mit Michel. „Es gibt nichts Schlimmeres als ein jammerndes Frauenzimmer, das seinen Platz nicht kennt. Aber ich wette, das wissen Sie selbst, was, Sir?“
„Da haben Sie allerdings recht.“ Auch Michel schüttelte sorgenvoll den Kopf. „Ich habe mich von ihrem hübschen Gesicht und der ansehnlichen Geldbörse ihres Vaters verlocken lassen, sie zu heiraten, und nun muß ich dafür büßen, bis mich ihre Nörgelei ins Grab bringt.“
„Sie wurden verlockt, mich zu heiraten? Mich?“ rief Jerusa, die genau wußte, was Michel bezweckte: Er wollte die Sympathie des anderen Mannes gewinnen, damit der das Gewehr fortnahm, aber das kümmerte sie kein bißchen. Sie war die Gefangene. Die beiden Farmer sollten sie bemitleiden. „Wann habe ich Sie jemals dazu verleitet, irgend etwas gegen Ihren Willen zu tun? Warum sollte ich, wenn ich ...“
„Sei jetzt still, meine Liebe, sei ruhig, diesem Mann zuliebe, wenn du es schon nicht für mich tust.“ Michel lächelte den älteren traurig an. „Sie sehen selbst, warum wir versuchen, auf den Nebenstraßen zu bleiben. In einer Taverne oder einem Gasthof würde diese Frau sich nicht schämen, mich vor allen anderen Leuten zu blamieren. Übrigens, ich heiße Michael Geary.“
„Oh, ,Michael Geary“ also!“ sagte Jerusa empört. „Ihnen werd’ ich’s zeigen!“
Die Hände zu Fäusten geballt, stürzte sie sich auf Michel, um ihn so zu behandeln, wie sie es als Schwester dreier Brüder gelernt hatte. Wie konnte er nur wagen, alles, was sie sagte, so schrecklich zu verdrehen?
Aber sie hatte noch keine zwei Schritte getan, als der junge Mann den Lauf seines Gewehrs vor ihre Schienbeine schob, so daß es sich in ihren Röcken verfing und sie beinahe gestürzt wäre.
„So, das wird Sie lehren, auf Ihren Mann zu hören“, sagte er selbstzufrieden. „Meine Mutter kennt ihren Platz genau.“ Jerusa wollte etwas erwidern, doch dann besann sie sich anders und schwieg. Mit diesen Männern kam sie nicht weiter, aber vielleicht wäre die Mutter eher bereit, ihr zuzuhören. Vielleicht, wenn die arme Frau von ihrem Ehemann nicht zu sehr eingeschüchtert war.
Und der war einfach schrecklich. Er hatte keinen Versuch gemacht, ihr, Jerusa, zu helfen, als sie stolperte. Mit keinem Wort hatte er seinen Sohn getadelt, weil er sich einer Lady gegenüber falsch verhalten hatte. Und gerade jetzt kränkte er sie erneut, indem er die Muskete über die Schulter hängte, Michel die Hand entgegenstreckte und ihm auf die Füße half.
„Ich heiße Faulk, Sir“, sagte er so respektvoll, daß deutlich wurde: Er glaubte Michel. „Abraham Faulk, Sir, zu Ihren Diensten. Und der dort ist Isaac. Verbeug dich vor dem Gentleman, Junge.“
„Es ist mir ein Vergnügen, Mr. Faulk.“ Michel schüttelte dem
Mann die Hand zwar freundlich, zugleich aber so distanziert wie nötig, um zu zeigen, daß er wirklich ein Gentleman war, ein gutmütiger noch dazu. Ein englischer Gentleman, dachte Jerusa mißmutig. Gerade jetzt, wenn Michels gelegentliche französische Einschübe ihr äußerst nützlich sein könnten, sprach er ein perfektes Englisch.
Faulk seinerseits verbeugte sich und strahlte, als wäre er derjenige, der sich geehrt fühlte. „Sie sagten, Sie wollten sich mit der Pistole nur schützen, Sir, und dasselbe wollte ich mit meiner Muskete“, meinte er entschuldigend. „In diesen Tagen muß man sich besonders vor Räubern und Vagabunden in acht nehmen.“
„Schon gut, Faulk, das ist in Ordnung. Man kann nicht vorsichtig genug sein.“ Jetzt, da er nicht mehr bedroht wurde, bückte Michel sich, nahm die Pistole und schob sie in seinen Gürtel zurück. Daraufhin sah er Jerusa vielsagend an. „Man muß schützen, was einem lieb und teuer ist.“
Faulk nickte heftig. „Sie sollten jetzt mitkommen zu uns nach Hause, Mr. Geary“, sagte er eifrig. „Nur, um zu zeigen, daß es keine Mißstimmung mehr zwischen uns gibt. Lassen Sie uns Cider oder Rum zusammen trinken, wenn es Ihnen recht ist.“
„Wie freundlich von Ihnen! Es würde uns eine Ehre sein, meiner Frau und mir“, sagte Michel herzlich, „und wenn Sie eine Handvoll Hafer für die Pferde übrig hätten, wären auch sie Ihnen dankbar.“
Mißtrauisch blickte Jerusa Michel an. Er hatte seine Waffe, und
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