Sieg der Liebe
Michel mit so ehrlicher Besorgnis, daß es Jerusa die Sprache verschlug.
„Meistens geht es ihr gut“, fuhr er freundlich fort, „doch manchmal glaubt sie, jemand anders zu sein. Es dauert nie lange an. Doch Sie sehen jetzt, warum ich mich entschieden habe, mich mit meiner Frau nicht in einem Gasthaus zu zeigen.“
„Oh, Gott segne Sie, Mr. Geary“, murmelte Mrs. Faulk betroffen. „Was für eine furchtbare Last muß sie Ihnen sein.“ „Aber es ist nicht wahr“, flüsterte Jerusa mit heiserer Stimme. „Nichts von dem, was er sagt, ist wahr.“
Faulk legte schützend seine Hände auf die Schultern seiner Frau. „Gibt es irgend etwas, was wir tun können, um Ihnen zu helfen, Mr. Geary? Stricke vielleicht, um ihre Anfälle zu kontrollieren?“
Michel schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank. Es wird ihr wieder gutgehen, wenn wir beide allein sind. Sobald wir unterwegs sind, wird sie so sanft wie ein Lamm sein.“
Er trat einen Schritt vor und legte seine Hände auf Jerusas Schultern, als wolle er Faulks Geste nachahmen. „Das stimmt doch, meine Liebe, oder? Sollten wir diese guten Leute nicht verlassen, damit du dich besser fühlst?“
Jerusa erstarrte unter seiner Berührung, aber ihr Kampfgeist war gebrochen. Kein Wunder, daß die Faulks ihm geglaubt hatten und nicht ihr. Was er sagte, ergab einen Sinn, bei ihr war das nicht der Fall. Es waren nicht nur die einfachen Kleider, die Michel ihr gegeben hatte und in denen sie weniger vornehm aussah, als Faulk es erwartete. Es war vor allem die Rolle, die Michel für sich selbst gewählt hatte, die des liebenden, treusorgenden Ehemannes. Dadurch wirkte alles, was sie sagte, erfunden.
Und noch schlimmer war es, zu erkennen, daß er sich wieder so verhalten würde, wenn sie es wagte, jemand um Hilfe zu bitten.
„Du wirst jetzt mit mir kommen, nicht wahr, Liebste?“ fragte er freundlich.
„Also gut“, sagte sie leise. Sie war immer noch Michels Gefangene, das stimmte, aber wenn sie jetzt seinem Willen nachgab, konnte sie ihn wenigstens des Vergnügens berauben, sie zwangsweise aus dem Haus schaffen zu lassen. „Entscheiden Sie, was Sie für richtig halten, und ich werde gehorchen.“
Der Mond war fast schon aufgegangen, ehe Michel anhielt, um die Pferde ausruhen zu lassen. Seit sie die Farm der Faulks verlassen hatten, hatte Jerusa noch kein Wort zu ihm gesagt, und das Schweigen zwischen ihnen war mit jeder Meile unangenehmer geworden.
Michel versuchte, sich einzureden, daß es so besser sei. Sie war seine Gefangene, seine Feindin. Daß sie außerdem eine Schönheit war, durfte keine Rolle spielen. Sie war nicht seine Geliebte, und je eher er sich daran erinnerte und aufhörte, an sie als Frau zu denken, desto besser für sie beide.
Doch das war leichter gesagt als getan. Wie sollte er nicht bemerken, wie gut sich ihre schmale Taille anfaßte, als er Jerusa vom Pferd half, oder wie ihr Duft seine Sinne betörte, als sie sich an ihn lehnte? Selbst die Kleider, die er ihr gekauft hatte, schienen noch die üppigen Kurven ihres Körpers zu betonen, und er konnte nicht vergessen, wie er einen Blick auf ihre festen Brüste hatte werfen können, als er die Bänder ihres zerfetzten Mieders durchtrennte.
Jetzt kam sie aus dem Gebüsch zurück, den Blick gesenkt, um ihn nicht anschauen zu müssen. Auf diese Weise mußte er wenigstens nicht so tun, als würde er sie nicht beobachten. Ihr Gesicht war bleich im Mondschein, und das dunkle Haar fiel ihr locker über die Schultern.
Er reichte ihr eine Feldflasche, die er aus der Satteltasche genommen hatte. „Der Cider von Mrs. Faulk“, erklärte Michel, als Jerusa vor ihm stehenblieb. „Sie hat ihn für Sie mitgegeben.“
Jerusa warf einen Blick auf die Flasche und dachte wieder daran, wie leicht er ihre Pläne auf der Farm durchkreuzt hatte. Sie wollte nichts von dem Cider, sie wollte überhaupt nichts von ihm.
„Na los, ma cherie“, sagte er, verwirrt durch ihr Schweigen. Er hatte erwartet, daß sie zornig sein würde über das, was er getan hatte, aber sie hatte kein Recht zu schmollen. „Ich schwöre, er ist nicht vergiftet. Weder von mir noch von Mrs. Faulk.“
„Eine fragwürdige Empfehlung“, meinte Jerusa spöttisch. Der Hut beschattete zwar Michels Augen, doch seine Stimmung war unverkennbar mürrisch. Seit sie Newport verlassen hatten, hatte er sich nicht mehr rasiert, und mit den dunklen Stoppeln auf seinem Kinn sah er keineswegs wie der Gentleman aus, den er zu sein vorgab. „Zweifellos
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