Sieg der Liebe
erstenmal, daß sie nackt war. „Ich halte dich doch nicht auf, Jerusa, oder?“
Wütend schlug sie mit der flachen Hand aufs Wasser, so daß große Spritzer des Seifenwassers die Vorderseite seines Mantels und seiner Hosen durchnäßten.
Er sah an sich herunter, und sein Lächeln vertiefte sich. Ihre ausholende Bewegung hatte ihm den Blick auf die vollen Brüste freigegeben. „Eine gute Idee, ma belle“, sagte er, zog den Mantel aus und warf ihn achtlos auf das Bett. „Vielleicht sollte ich auch baden. Es scheint mir eine Schande zu sein, all das viele Wasser zu verschwenden.“
„Nein!“ Entsetzt sah Jerusa sich um und suchte etwas, in das sie sich einhüllen konnte. Natürlich hatte sie kein Neglige, und zu ihrem Bedauern erinnerte sie sich, daß Mrs. Cartwright ihre einzigen Kleider mitgenommen hatte, um sie zu waschen. Zweifellos auf Michels Anweisung hin.
Gab es eine bessere Methode, sie hier festzuhalten, während er seinen Geschäften nachging? Alles, was sie hatte, war das zerschlissene Tuch, das über der Stuhllehne hing. Man hatte es ihr zum Abtrocknen gegeben. „Wenn du nicht gehen willst, mußt du mir den Rücken zukehren und mir dein Wort geben, daß du dich nicht umdrehst, bis ich es dir sage.“
„Mein Wort?“ Langsam streifte er sich den Kragen ab. „Ich dachte, du hättest inzwischen gemerkt, wie wenig man mir vertrauen kann.“
„Würdest du es vielleicht aus Anstand tun?“ Die Stimme versagte ihr, als sie die Folgen dessen bedachte, die er ihr in Aussicht stellte. „Du sagtest, du würdest mich nicht beobachten.“
Jetzt warf er die Weste ebenfalls aufs Bett, dann zog er seine Stiefel und Strümpfe aus. „Ich beobachte dich nicht. Ich werde ein Bad nehmen.“
Rasch streifte er sich das Hemd über den Kopf, und ihr stockte der Atem. Seine Schultern wirkten breiter, die Hüften schmaler, jetzt, da das weite Leinenhemd sie nicht mehr bedeckte. Auf seiner Brust kräuselte sich helles Haar, das zum Hosenbund spitzer zulief. Der einzige Fehler seines makellosen Aussehens war eine lange Narbe an einem Arm. Vermutlich hatte er sie sich beim Degenkampf zugezogen.
In seiner Abwesenheit war er bei einem Barbier gewesen, denn der dunkle Bart war verschwunden, und ohne ihn sah er um Jahre jünger aus. Das Haar schimmerte im Licht der untergehenden Sonne, und mit angehaltenem Atem dachte sie, daß sie nie einem so gutaussehenden Mann begegnet war.
Michel lächelte, ungeniert unter Jerusas eingehender Prüfung. Zwar waren ihre Wangen gerötet, doch sie betrachtete ihn äußerst neugierig, was ihr sicher einen Tadel von ihrer Mutter eingebracht hätte. Doch Jerusas unschuldige Musterung gefiel ihm mehr, als er erwartet hatte. Die Lebedamen in seiner Vergangenheit hatten ihn umschmeichelt wie Katzen eine Schale Milch, weil das zu ihrem Gewerbe gehörte, und natürlich, weil er ihnen gefiel. Aber er hatte ihre Bewunderung stets spöttisch zurückgewiesen. Er bezweifelte nicht, daß Jerusas Reaktion ehrlich war, ein besonderes Kompliment für jeden Mann, ganz besonders für ihn.
„Gefällt dir die Aussicht?“ fragte er amüsiert. Sein Lächeln vertiefte sich, als er sah, daß ihre Wangen noch röter wurden. Ihm fiel jedoch auf, daß sie sogar jetzt den Blick nicht abwandte.
„Entschuldige“, stammelte sie. „Ich wollte dich nicht anstarren.“
Er zuckte die Schultern, knüllte sein Hemd zusammen und warf es mit den übrigen Sachen aufs Bett. Lächelnd strich er sich das Haar zurück. „Schau, so lange du willst, ma belle, wenn es dir gefällt.“
Verlegen senkte sie den Blick. Tatsächlich hatte sie den Wunsch genau das zu tun, was er gesagt hatte. Bei ihrer Tändelei mit Tom war sie niemals weitergegangen, als seine Weste aufzuknöpfen. Ihre Brüder hatte sie oft ohne Hemd gesehen, und im Sommer hatten die Seeleute auf den Schiffen ihres Vaters sich bei der Arbeit oft bis zur Taille freigemacht, aber niemals hatte sie etwas Ähnliches empfunden wie jetzt. Nur Michel übte diese Anziehungskraft auf sie aus, eine Anziehungskraft, die sie gleichzeitig verwirrte und entzückte.
Aber als sie jetzt sah, daß er nach dem obersten Knopf seiner Reithose tastete, holte ihr Gewissen sie augenblicklich in die Wirklichkeit zurück. Sie saß in einem Zuber mit lauwarmem Wasser und hatte nichts, um sich zu bedecken, nur den Schaum, der langsam verschwand.
„Michel, tu es nicht!“ befahl sie und bemühte sich, überzeugend zu klingen. Es war schlimm genug gewesen, mit ihm allein durch das Land
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