Sieg der Liebe
geändert.
„Das könnte helfen, ma cherie. Noch eine Kleinigkeit, die bei dem hastigen Aufbruch aus Newport vergessen wurde.“
In Michels Hand lag ein grobzinkiger polierter Hornkamm. Sie lächelte erleichtert und streckte die Hand aus, um ihn zu nehmen.
„Nein, ma belle“, wehrte er entschieden ab und zog den Kamm aus ihrer Reichweite. „Laß mich das machen.“
„Sei kein Narr, Michel, ich kann ...“
„Ich sagte, laß mich das für dich tun, ma cherie“, erklärte er bestimmt, während er begann, den Kamm durch ihr wirres Haar zu ziehen. „Du hättest die ganze Nacht zu tun, wenn du es selbst versuchen würdest.“
Widerwillig mußte sie zugeben, daß er recht hatte. Seufzend setzte sie sich aufrecht vor ihn hin und legte die Hände in den Schoß. Wiederholt fuhr er ihr mit dem Kamm durchs Haar, setzte jedesmal etwas höher an, um es ganz zu entwirren.
„Du hast das schon öfter getan, nicht wahr?“ fragte sie und wünschte, es wäre nicht so leicht, sich vorzustellen, wie die Locken von vielen reizvollen, schmachtenden Französinnen durch seine Finger glitten. „Die meisten Männer wüßten gar nicht, wo sie anfangen sollten.“
Er lachte leise. „Man hat mir schon vieles vorgeworfen, Jerusa, aber niemals, ein coiffeur zu sein. Aber du hast recht. Ich habe diese Rolle für meine Mutter schon häufiger gespielt.“ „Deine Mutter?“ Jerusa lächelte. Die Vorstellung gefiel ihr. „Wie schön für sie! Meine Brüder lieben meine Mutter sehr, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß sie so etwas jemals tun würden.“
„Nun, vielleicht würde ich es auch nicht getan haben, wenn ich noch Geschwister hätte. Aber weil es nur uns beide gibt, habe ich es nie als sonderbar empfunden. “
Jerusa schloß die Augen und entspannte sich unter den rhythmischen Bewegungen, mit denen er den Kamm durch ihr Haar zog. „Dein Vater wird natürlich auch noch dagewesen sein.“ „Daran kann ich mich nicht erinnern, nein. Er starb, ehe ich geboren wurde. “
„O Michel, es tut mir leid“, flüsterte sie. Ihre eigene große Familie war ihr stets so gegenwärtig, daß sie sich nur schwer etwas anderes vorstellen konnte. „Wie traurig für deine Mutter, unter diesen Umständen Witwe zu werden.“
Die rhythmischen Bewegungen des Kammes wurden unterbrochen. „Sie ist keine Witwe, denn sie war nicht mit meinem Vater verheiratet.“
„O Michel“, flüsterte sie, und ihr Mitgefühl wuchs. Sie hatte zwar gehört, daß die Franzosen es in diesen Dingen nicht so genau nahmen wie die Engländer, aber jede Frau, die in eine so unglückliche Lage geriet, konnte sicher sein, von allen außer ihren engsten Freunden gemieden zu werden. Sie hatte die dringenden Warnungen oft genug von ihrer eigenen Mutter gehört. Wie sehr mußten Michel und seine Mutter gelitten haben, wie hart mußte ihr gemeinsames Leben gewesen sein!
„Aber mein Vater hatte beabsichtigt, sie zu heiraten“, fuhr Michel fort. Seine Stimme klang, als käme sie aus weiter Ferne. „Maman war ganz sicher, denn sie liebte ihn - liebt ihn immer noch - von ganzem Herzen. Aber er wurde getötet, ehe sie ihm sagen konnte, daß sie sein Kind unter dem Herzen trug.“
„War dein Vater Soldat oder Seemann?“ fragte Jerusa leise. Sie wollte sein Gesicht sehen und versuchte, sich auf dem Schemel herumzudrehen, doch er hielt ihren Kopf fest und begann wieder, ihr Haar zu kämmen.
„Mein Vater war Seemann, oui, Kaperfahrer, Kapitän, der erfolgreichste seiner Zeit in der Karibik.“ Michels Stolz war unüberhörbar. „Sein Name war Christian Saint-Juste Deveaux, und sein Haus war weitaus eleganter und auch viel größer als manche Chateaux in Frankreich. Wenigstens, bis er von einem Engländer niedergemetzelt wurde und sein Haus bis auf die Grundmauern abbrannte.“
Niedergemetzelt von einem Engländer? Kein Wunder, daß er so unglücklich war über das, was sie Dr. Hamilton erzählt hatte. Aber wie hätte sie das ahnen können? Es war ein unheimlicher Zufall. Ihre Väter waren beide Kaperer, beide erfolgreich, und sie kämpften auf verschiedenen Seiten im selben Krieg.
Aber vielleicht war es gar kein Zufall. „Mein Vater war ebenfalls Kapitän auf einem Kaperschiff“, sagte sie langsam und mit wachsendem Unbehagen. „Vermutlich weißt du das längst, oder?“
Michel schien sie nicht gehört zu haben, oder vielleicht zog er es auch nur vor, nicht zu antworten. „Dein ältester Bruder Jonathan ist sechsundzwanzig, nicht wahr?“
Sie zögerte und
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