Sieg der Liebe
fluchte. „Hast du es ihm verraten?“
Diese Anschuldigung schmerzte sie. „Er hatte ein Blatt Papier mit einer Suchanzeige. Mein Vater hat eine Belohnung ausgesetzt. Ich habe Mr. Hay nichts gesagt, Michel. Ehrlich.“
„Du mußt ihm etwas erzählt haben, denn ihr seid ziemlich lange oben gestanden.“
„Nur, daß ich Mrs. Geary bin und daß er sich dir gegenüber verantworten muß, wenn er mich nicht in Ruhe läßt.“
Michel stand völlig reglos da, als er erkannte, was sie getan hatte. „Du hast meinetwegen gelogen?“
„Ich mußte es tun, Michel.“ Sie versuchte zu lächeln, aber nach einem so anstrengenden Tag, an dem sie es immer wieder probiert hatte, gelang es ihr nicht. Warum verstand er denn nicht? „Ich wollte nicht mit Hay gehen.“
„Dann paß auf, daß du nicht noch einmal mit George Hay allein bist, ma cherie“, warnte Michel. „Ich habe dich bis hierher gebracht, und ich werde dich nicht für so einen billigen Kopfgeldjäger aufgeben.“
„Michel, ist das alles, was du dazu sagen kannst?“ Sie blickte ihn fassungslos an, während ihr Herz wie wild schlug. „Nach allem, was wir erlebt und getan haben, ist das alles, was du zu sagen hast? Daß ich für dich nur etwas bin, das man keinem anderen überläßt?“
Michel blickte auf seine Hände, in die Augen konnte er ihr nicht sehen. Jerusa hatte recht. Sie verdiente mehr, als er ihr jemals würde geben können. Sie verdiente einen Mann, der die Freiheit hatte, sie zu lieben.
Müde schaute Michel sie an. „Es tut mir leid, Jerusa“, sagte er leise. „Es tut mir wirklich leid.“
Schweigend saß sie auf der Koje, die Hände in die Matratze gepreßt, die Augen weit aufgerissen.
Er verstand, wenn sie wütend oder verletzt war, aber ahnte sie, daß er Angst hatte, mehr Angst als jemals zuvor in seinem Leben?
Sie gehörte nicht zu ihm, und so würde es immer sein. Aber was sollte aus ihm werden, wenn er sie jetzt verlor?
In diesem Moment seufzte Jerusa aus tiefstem Herzen und kam zu ihm. Sie legte ihre Arme um seine Taille, und er zog Jerusa an sich. So groß ihr Kummer auch sein mochte, er war nichts im Vergleich zu seinem Leid. Sie schmiegte die Wange an seine Brust, schloß die Augen und lauschte dem gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlags.
14. KAPITEL
Joshua saß allein im Vorderzimmer der Taverne, schwenkte den Rum mit Limettensaft in dem Krug vor ihm und dachte daran, wie müde er war und wie wenig er erreicht hatte.
Sein Vater war in Bridgetown auf Barbados geblieben, während er hierher nach Martinique gekommen war. In seinem Eifer, die Suche nach Jerusa endlich aufzunehmen, hatte er die Tiger am Montag schon beim Morgengrauen verlassen, nur um festzustellen, daß die Bürger von St. Pierre stolz darauf waren, so spät aufzustehen wie die Einwohner von Paris, und es war beinahe Mittag geworden, ehe er einen Amtsmann treffen konnte. Doch egal, wie viele Münzen er auf den Tisch gelegt hatte, die unauffällig in Taschen geglitten waren, seit einem Monat war kein englisches Schiff mehr im Hafen von Martinique gesehen worden, ganz zu schweigen von einer großen, hellhäutigen englischen Lady. Da waren die Amtsleute völlig sicher.
Mit den Empfehlungsschreiben seines Vaters hatte er sogar noch weniger bewirkt. Hier bedeutete der Name Sparhawk überhaupt nichts. Der Gouverneur des Königs, den sein Vater gekannt hatte, war nach Frankreich zurückbeordert worden, und der Mann, der seinen Platz eingenommen hatte, war zu beschäftigt gewesen, um einen englischen Kapitän zu empfangen.
Joshuas Vater hatte ihm gesagt, daß es schwierig sein würde, aber er hatte es nicht glauben wollen. Englische Schiffe und englische Seeleute - auch solche aus New England - waren selten in den Gewässern von Martinique, und sie waren nicht gern gesehen. Obwohl Joshua einige Jahre in der Karibik gesegelt war, war er nur einmal als Junge mit seiner Familie hier gewesen.
Viel schien sich seitdem nicht verändert zu haben. Als Joshua durch die kopfsteingepflasterten Straßen ging, wandten sich sogar die creolischen Hafendirnen hochmütig von ihm ab. Je eher er Jerusa fand und sich mit ihr auf den Heimweg machte, desto besser.
Aber wo war Jerusa nur? Wieder seufzte Joshua müde. Nachdem er nun die offiziellen Wege gegangen war, mußte er andere, gefährlichere Pfade erkunden. Nach dem Essen würde er mit den Hafenschenken beginnen und hoffen, daß er erfolgreicher als sein Bruder die Auseinandersetzungen mit Einheimischen vermeiden
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