Sieg der Liebe
konnte.
Durch die großen, offenen Fenster der Taverne sah Joshua die Sonne tief über der Bay stehen. Auf der Straße waren die Geräusche zu hören, die davon kündeten, daß die Stadt nach der großen Hitze nun zu neuem Leben erwachte und sich einem vielversprechenden Abend zuwandte: Männer, die ihr Tagwerk vollbracht hatten, lachten, ein Mädchen sang zu ihrem eigenen Vergnügen, ein paar Straßengeiger fiedelten die neueste Gigue. Die letzten Geiger, die Joshua gehört hatte, waren für Jerusas Hochzeit engagiert worden ...
„ Monsieur? Pardon?“ sagte das Mädchen. „S’il vous plait, monsieur?“
„Entschuldige, ich dachte an etwas anderes.“ Aber das Mädchen sah ihn nur ausdruckslos an. In den letzten Tagen waren seine geringen Französischkenntnisse schon reichlich bemüht worden, und das Mädchen, das wartend mit dem Tablett unter dem Arm vor ihm stand, erleichterte nicht gerade seine Konzentration. „Ah, plait-il, mademoiselle
„Oui, monsieur, avecplaisir.“ Wie die meisten Frauen auf der Insel war sie klein und dunkelhaarig, ihre Haut hatte einen zarten Goldton, ihre Wangen waren rund und rosig wie Pfirsiche. Doch im Gegensatz zu den anderen Frauen verachtete sie ihn nicht, sondern lächelte statt dessen, und Joshua lächelte entzückt zurück.
„Wie heißt du - ach, warte, Mädchen, ich habe es schon wieder vergessen“, sagte er, aber die junge Frau kicherte hinter vorgehaltener Hand, und ihre schwarzen Augen glänzten vor Heiterkeit. Obwohl ihr gestreiftes Mieder und die Röcke unter der Schürze schlicht geschnitten waren, hatte sie etwas Reizvolles, unbewußt Kokettes an sich, das keine englische Serviererin jemals nachahmen konnte.
„Sie sind anglais, nicht wahr, monsieur?“ fragte sie neugierig. „Und du sprichst englisch“, sagte Joshua erleichtert.
Sie zog die Brauen hoch. „Das ist gut für das Geschäft. Papa hat mich Englisch, Spanisch und Holländisch gelehrt, damit ich jedem Seemann, der durch diese Tür stolpert, Rum verkaufen kann.“
„Dafür also hältst du mich?“ fragte Joshua mit übertriebenem Selbstmitleid. „Für einen weiteren torkelnden, betrunkenen Seemann?“
„Peut-etre.“ Das Mädchen warf die schwarzen Locken zurück und stieß seinen Arm ganz leicht mit ihrem Tablett an. „Aber wieviel Rum würden Sie mir abkaufen, wenn ich Ihnen das sagte?“
„Keinen Tropfen“, stimmte Joshua zu. „Aber vielleicht kaufe ich ein ganzes Faß, wenn du mir deinen Namen nennst.“
„Cecilie Marie-Rose Noire. Sie können Cecilie zu mir sagen. So nennt mich fast jeder hier. Aber ich werde nicht darauf bestehen, daß Sie das Faß kaufen.“
„Sehr großzügig!“ Sie konnte nicht wissen, wieviel ihre heitere, freundliche Art ihm bedeutete nach all den Enttäuschungen der letzten Tage. „Ich heiße Joshua Sparhawk, Kapitän der Tiger aus Newport, Rhode Island, und Sie, Miss Cecilie, nennen Sie mich doch bitte Joshua.“
„Ein Kapitän!“ Sie riß die Augen auf. „Aber Sie sind so jung!“
Er war verwirrt und erwog zu behaupten, daß er sich seinen Platz auf der Tiger selbst erarbeitet hatte. Das hatte er schon anderen hübschen Mädchen gegenüber vorgegeben. Aber bei Cecilie wollte er es aus irgendeinem Grund nicht.
„Ich bin der Kapitän, ja, und die Tiger gehört mir seit meinem neunzehnten Lebensjahr.“ Er lächelte. „Ich habe das Glück, daß der Eigner mein Vater ist.“
„Dann sollten Sie doppelt stolz sein, monsieur !“ erklärte
Cecilie herzlich. „Wer stellt höhere Ansprüche als ein Vater? Wenn Sie sich bei ihm bewährt haben, müssen Sie ein sehr guter Seemann sein.“
„Ich gebe mir Mühe.“ Er war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihr Lob zu genießen, und einem Gefühl von Verlegenheit. Er war stolz auf seine seemännischen Fähigkeiten, aber in seiner Familie waren solche Leistungen eine Selbstverständlichkeit. Er wußte, daß er, was immer er auch tat, niemals mit seinem Vater und seinen älteren Brüdern gleichziehen würde. Aber für die kleine Cecilie war er der einzige Sparhawk, der zählte.
Rasch sah er sich in dem Raum um. Es war noch früh für ein Abendessen und noch früher für die Seeleute, die später jeden Stuhl, jede Bank besetzen würden. Im Augenblick jedenfalls war er der einzige Gast.
„Kannst du mir Gesellschaft leisten, Cecilie?“ fragte Josuha. Er stand auf und verbeugte sich vor ihr. „Es wäre mir eine große Ehre, und du bist der erste Mensch auf dieser Insel, zu dem ich das
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