Sieg der Liebe
ändern. Warum also war er so fest dazu entschlossen, sich davon seine Zukunft zerstören zu lassen?
Aber vielleicht war es schon zu spät für sie, so wie es für ihre Väter zu spät war.
Inzwischen war die Sonne aufgegangen. Der leuchtendrote rote Kreis stand über dem Horizont, und ein neuer Tag hatte begonnen. Doch Jerusa hatte den Eindruck, daß der Wind kühler geworden war. Ihre Fröhlichkeit war verschwunden, und sie erschauerte, als sie sich von Michel löste und sich wieder an der Reling festhielt.
„Niemand hat dich beauftragt, dies hier zu tun, nicht wahr, Michel?“ fragte sie, obwohl sie die Antwort schon kannte. „Du bist nach Newport gekommen, um mich zu entführen, und du hast es für keinen anderen als für dich selbst getan. “
Er versuchte, sich einzureden, daß er genau dies gewollt hatte. Sein Leben lang hatte er danach gestrebt, seinem Vater auf diese Weise die Ehre zu erweisen, und er war seinem Ziel zu nahe, um nun aufzuhören. „Ein guter Gedanke, ma cherie. Aber habe ich jemals etwas anderes behauptet?“
„Aber warum, Michel?“ fragte Jerusa flehend. „Warum ich?“ Kalt blickte er sie an. „Weil du der Liebling deines Vaters bist. Er würde überallhin gehen, Jerusa, um dich zu retten. Sogar nach Martinique. Du hast vielleicht geglaubt, daß er dich aufgegeben hat, ma mie, aber ich bin sicher, daß er das nicht getan hat. Er wird in St. Pierre sein und auf uns warten.“
„Und dann?“ Aber sie kannte die Antwort schon.
„Dann werde ich ihn töten.“
„Ah, Mr. Geary, guten Morgen! “ rief der Mann hinter ihnen dröhnend. „Und Mrs. Geary! Es ist mir eine Ehre, Mistress, Sie in unserer Mitte zu haben. Ich bin Captain Robert Barker, Mrs. Geary, zu Ihren Diensten!“
Irgendwie gelang es Jerusa, ihm, wenn auch mit schwacher Stimme, zu antworten. „Vielen Dank, Captain Barker. Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.“
„Das Wetter macht Ihnen zu schaffen, nicht wahr?“ Barker sah sie unter seinem Hut, der so flach war wie der eines Pfarrers, hervor an. Barker war ein schmächtiger Mann, zu dem die gewaltige Stimme nicht paßte. Sein Gesicht war braun und runzelig wie eine Walnuß. „Jetzt sehe ich es genau, Sie sind beide ein wenig blaß um die Nase.“
„So wie Landratten, Captain?“ fragte Michel und ergriff die Gelegenheit zu einer Erklärung, die Barker so bereitwillig bot. „Wie ich Ihnen schon sagte, dies ist die erste Seereise meiner Frau.“
„So, wie Sie ausschauen, Geary, scheint es Ihnen auch nicht gutzugehen.“ Mitfühlend schüttelte Barker den Kopf. „Aber ich wette, Sie werden sich bald daran gewöhnen. Wenn Sie wieder unter Deck sind, werde ich dafür sorgen, daß der Koch Ihnen gleich etwas schickt, um Ihren Magen zu beruhigen.“
„Das wird nicht nötig sein, Captain Barker“, sagte Jerusa schnell und schaffte es, ihn herzlich anzulächeln. Der Gedanke, mit Michel zusammen in die winzige Kabine zurückzukehren, erschien ihr jetzt unerträglich. Sie brauchte dringend etwas Abstand, um nachzudenken. „Hier an Deck geht es mir viel besser. Diese Meeresbrise ist wunderbar erfrischend, nicht wahr?“ Spöttisch beobachtete Michel, wie der ältere Mann unter Jerusas Charme aufzublühen schien. Mordieu, und Michel wußte, daß sie sich nicht einmal besondere Mühe gab.
Und er würde sein Leben darauf verwetten, daß sie ihn nun nicht mehr liebte.
Sie berührte ganz leicht seinen Arm, vermied es aber, seinem Blick zu begegnen. „Aber du möchtest doch in die Kajüte zurückkehren, nicht wahr, Liebling?“ sagte sie mit einer Heiterkeit, von der sich Michel keinen Augenblick lang täuschen ließ. „Ich weiß, daß es dir gleich bessergehen wird, wenn du geschlafen hast. Und ich bin sicher, daß Captain Barker mir den Gefallen tun wird, mir sein wundervolles Schiff zu zeigen, nicht wahr, Sir?“
„Das werde ich tun, Mrs. Geary, und es wird mir ein Vergnügen sein!“ erklärte Barker mit seiner donnernden Stimme. Er zwinkerte Michel zu. „Das heißt, Geary, wenn es Ihnen nichts ausmacht, daß Ihre Lady sich in der Gesellschaft eines alten Halunken befindet.“
Michel machte sich weniger Barkers wegen Sorgen als vielmehr wegen Hay, der in Hörweite am Ruder stand. Seit Jerusa an Deck gekommen war, hatte der Maat den Blick nicht von ihr gewandt, und er beobachtete sie mit derselben gierigen Bewunderung, mit der die meisten Männer sie ansahen.
Aber war er, Michel, denn so anders? Mit den zerzausten schwarzen Locken, den Röcken,
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